C 64
Spiele

Simulationen — Spiel und Wirklichkeit

Simulationen sparen Zeit und Geld, sagen die ernsthaften Anwender. Simulationen sind die zeitaufwendigsten und auch teuersten Programme, behaupten die Spieler. Recht haben beide, doch lesen Sie selbst.

Was ist eine Simulation eigentlich? Ist es eine computergesteuerte Sub-Realität, die innerhalb unserer realen Welt existiert? Oder haben wir es mit Träumen zu tun, die der Mensch sich auf dem Computer produziert, weil er sich die Realität nicht leisten oder technisch nicht verwirklichen kann? Nun, das ist Ansichtssache. Aber in jedem Fall sind Simulationen Nachahmungen von praktisch oder auch theoretisch existierenden Realitäten. Theoretische Realitäten deshalb, weil man auch Dinge simulieren kann, die es gar nicht gibt, oder von denen man wenig weiß. So wird beispielsweise am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München an der Simulation einer Supernova-Explosion gearbeitet. Die gesamte Simulation beruht allerdings nur auf Modellen, da die Wissenschaftler noch nicht sehr viel über diese Erscheinung wissen. Simulieren kann man den Vorgang auch nur zu einem minimalen Teil, da der Cray lB (einer der größten und schnellsten Computer der Welt) nicht genügend Hauptspeicher besitzt. Auf dem Heimcomputer kann man das gleiche feststellen: Computer-Rollenspiele sind nichts anderes als Simulationen von fiktiven Charakteren, die in fiktiven Welten ebenso fiktive Abenteuer erleben.

So weit also zu den theoretischen Simulationen. Man kann natürlich auch real existierende Ereignisse simulieren; die Simulation von in der Praxis bestehenden Dingen ist schließlich auch die häufigere Variante der Simulation. Beispiele sind Flugsimulatoren, Fahrsimulatoren, Wirtschaftssimulatoren, Kriegssimulatoren und so weiter. Eigentlich kann man ja alles simulieren; angefangen vom Vollwaschgang der Waschmaschine bis hin zu Opas Beinbruch ist alles drin. Die Science-Fiction-Literatur läßt sich in dieser Hinsicht auch so einiges einfallen. In Douglas Adams' »Per Anhalter durch die Galaxis« ist die Menschheit auch nur Teil eines Simulations-Experiments, das von viel intelligenteren Wesen (den Mäusen!) überwacht wird. Die Ideen zum Thema Simulation sind so vielfältig wie in keinem anderen Gebiet. Wohl deshalb, weil der Begriff »Simulation« ein sehr breites Spektrum umfaßt.

Den Begriff kann man allerdings in einem engeren Sinne auch sehen, nämlich den der klassischen Arten der Simulation. Also Autofahren, Fliegen, Motorboot fahren — kurz gesagt alles, was sich mit und in Fahrzeugen abspielt. Für unseren Überblick über bestehende Software wollen wir zwischen beiden Begriffsbestimmungen ansetzen, da wir über bestimmte Arten der Simulation bereits ausführlich berichteten (Kriegssimulationen in 64'er, Ausgabe 3/85, Rollenspiele in Ausgabe 9/84) oder es nicht in den Rahmen dieses Magazins paßt (zum Beispiel Computertomographie, Simulationen physischer und chemischer Vorgänge etc. Wer darüber mehr wissen will, sollte Computer persönlich, Ausgabe 2/85 lesen).

Nehmen wir uns mal ein paar Simulationen vor und vergleichen sie mit den eingangs gemachten Behauptungen. Simulationen sparen Geld und Zeit, sagten wir. Auf den »Flight Simulator II« für unseren Heimcomputer trifft das ganz bestimmt nicht zu, denn unser Heimanwender setzt sich — im Gegensatz zu Ballerspielfans — schon mal ein paar Stunden mehr an den Computer. Und mehr kosten als ein Ballerspiel tut der Flugsimulator allemal. Wenden wir diese Behauptung allerdings auf eine ernsthafte Simulation an, dann sieht die Sache schon ganz anders aus. In der Forschung beispielsweise kann man nicht jedes Gedankenmodell in ein reales Modell umsetzen. Die Computertechnik spart hier viel Zeit und Geld, wenn man mit Hilfe einer Simulation die »Was passiert, wenn …«-Frage untersucht. Beispiel: Zugunglücke im realen Modell durchzuführen, würde nicht nur viel kosten, sondern wäre für eine ganze Menge Leute ziemlich ungesund. Um ihre Lokführer für solche Notfälle zu trainieren,, hat die Western Railroad Company in den USA einen »Railroad Simulator« gebaut. Dabei ist im Unglück auch das Gewicht der Passagiere und der Ladung einberechnet. Ähnliches macht auch die Lufthansa mit ihren Flugsimulatoren. In der Wirtschaft kann durch Simulationen und daraus folgenden Trendrechnungen die Realisierung eines geplanten Umsatzes im Voraus als unmöglich erkannt werden. In der Fahrzeugindustrie braucht man nicht Unmengen von verschiedenen ABS (Anti-Blockier-Systemen) zu bauen, um die beste Konstruktion durch Tests zu finden. Hier wird einfach simuliert, und die in der Simulation am besten abschneidende Lösung wird realisiert. Man könnte noch viele Beispiele in dieser Richtung finden.

Bild 1. Von der Realität kaum zu unterscheiden: Einer der zehn Lufthansa-Simulatoren (Quelle: Lufthansa)

Welche Simulationen gibt es nun für unsere Heimcomputer, und was unterscheidet sie von den ernsthaften, in der Praxis angewendeten Simulatoren? Eigentlich eine ganze Menge: Die Realitätsnähe, das benutzte Computersystem, der Preis und der Nutzen. Auf dem Heimcomputer haben wir es zu 95 Prozent mit Spielen zu tun. In der Praxis gibt es keine Spiele. Wer mit einer Cray-Anlage oder einem großen Luftkampfsimulator (zum Beispiel Thomson oder Sogitec) zu spielen beginnt, bekommt entweder Hausverbot, eine Kündigung oder eine saftige Rechnung in Millionenhöhe. Aber sehen Sie selbst in unserem kleinen Überblick, was es da noch alles gibt.

Flugsimulationen

Die ersten Flugsimulatoren entstanden in den 40erJahren. Sie dienten nur als Navigationstrainer für den Instrumentenflug. Ende der 50er Jahre wurden daraus die sogenannten CSS (Cockpit System Simulatoren), mit denen man schon rechnerisch alle Funktionen eines Flugzeugs simulieren konnte — damals noch mit Analogrechnern, die im Platzverbrauch »unschlagbar« waren. Mit der zunehmenden Miniaturisierung und Fortschritten in der Digitaltechnik kamen dann immer bessere Simulatoren. Dabei war die Vorbereitung der ersten Mondlandung ein großer Schrittmacher für die technischen Verbesserungen. Mitte der 70er Jahre kamen dann die ersten Flugsimulatoren der heutigen Generation auf, die sich im wesentlichen auf drei Baugruppen stützten: Die Nachbildung des Cockpits, die Projektionseinrichtung, die fortlaufend die Bilder vor den Cockpitfenstern erscheinen läßt, und das (hydraulisch gesteuerte) Bewegungssimulationsgerät. Die Lufthansa betreibt schon zehn Simulatoren (Boeing und Airbus), von denen das neueste Exemplar immerhin 23 Millionen Mark gekostet hat. Eine Flugstunde mit einem echten Flugzeug kostet etwa 39000 Mark, der Simulationsbetrieb nur 1400 Mark pro Stunde. Bei den Heimcomputerspielen sieht das ganz anders aus: Man zahlt einmal und kann unendlich lange fliegen. Es ist halt nicht ganz so realistisch. Die wichtigsten Flugsimulatoren für den C 64:

Flight Simulator II

Der »Flight Simulator II« (Bild 2) von SubLogic ist das Optimum an Flugkomfort, vergleicht man ihn mit anderen Simulationsspielen. In der Verpackung findet man zwei 100 Seiten starke Handbücher, von denen sich das eine mit der Bedienung des Programms befaßt, und das zweite eine Art Flugkurs (auch für echte Flugzeuge) ist. Der »Flight Simulator II« ist ein Echtzeitsimulator, zeichnet sich durch hervorragende Grafik und eine starke Realitätsnähe der Instrumentenanzeigen und des Flugverhaltens aus. Ein Muß für den Flugfan.

Bild 2. Unrealistischer geht es beim »Flight Simulator II« für den C 64 zu

Super Huey

Ein Hubschraubersimulator, der grafisch gut aufbereitet ist. Die elektronischen Anzeigen des Originalvorbildes (UH-1X) sind relativ wirklichkeitsnah dargestellt. Das nicht ganz so realistische Flugverhalten des Helikopters wird durch ein besonderes elektronisch gesteuertes Stabibilisationssystem erklärt, das angeblich auch das Vorbild haben soll. »Super Huey« ist ein durchaus noch zu empfehlendes Spiel, das aus einer relativ realitätsnahen Flugsimulation und ziemlich unrealistischen Spielelementen (Kampf mit anderen Hubschraubern, Soldaten retten etc.) besteht.

Andere Flugsimulationen

Von Microprose gibt es den »Solo Flight«, ein mittelprächtiges Simulationsspiel. Daneben gibt es noch etliche unrealistische Programme wie beispielsweise »F15 — Strike Eagle«, »Skyfox«, »Fighter Pilot« oder »ACE«. Mit dem demnächst zu erwartenden »Jet« von SubLogic dürfte allerdings wieder etwas Gutes in dieser Richtung auf den Markt kommen. Wer einen ganzen Flughafen (nicht das Flugzeug) kontrollieren will, dem sei »Kennedy Approach« empfohlen, ein gutes Spiel, das den Spieler ständig in Aktion hält.

Fahrsimulatoren

Auch im Kraftfahrzeugbau hat sich die Simulation als wichtige Komponente erwiesen. Man mußte drei Komponenten in eine Simulation bringen: Fahrer, Fahrzeug und Straße. Dies wurde anfangs noch mit Analogcomputern durchgeführt. Mit einem Patch-Board wurde eine Simulation zusammengestrickt, mit der immer nur eine spezielle Situation untersucht werden konnte. Für eine neue Situation trat dann ein zeitraubender Umbau ein. Die Straße wurde durch den Blick einer Minikamera simuliert, die über die aufgebaute Miniaturlandschaft entsprechend den Bewegungen des Lenkrades folgte. Inzwischen gibt es wesentlich bessere Simulatoren, die alle digital arbeiten. VW, Mercedes und BMW benutzen beispielsweise sehr professionelle Geräte. Im VW-Simulator wird jedes einzelne Rad mit APUs (Hilfsprozessoren) simuliert. Auch der Simulator von Mercedes liefert erstaunliche reale Fahrerlebnisse. Er ist in Bild 3 zu sehen Nicht so realistisch, doch durchaus überzeugend, sind die Fahrsimulationsspiele. Angefangen hat es mit »Night Driver«, einem Spielautomaten, der nur Gas und Lenkrad hatte, und auf dem Bildschirm links und rechts Pfosten anzeigte, weiter nichts. Inzwischen gibt es Spielhallen-Automaten, die kaum noch in der Grafik zu schlagen sind. TX-1, ein Formel-1-Simulator, hat beispielsweise eine drei Bildschirme große Grafik. Auch vor dem Heimcomputer hat diese Entwicklung nicht Halt gemacht. Die interessantesten Programme in dieser Richtung:

Bild 3. Fantastische Grafik bietet sich den Testfahrern des Mercedes-Benz-Simulators (Quelle: Mercedes-Benz)

Revs

Das brandneue »Revs« ist die erste Autorenn-Simulation, die den Begriff »Simulation« voll verdient. Hier kann man mit einem Formel 3-Wägen über die »millimetergenau« nachgebildeten Strecken von Brands Hatch und Silverston rasen. Vom Verhalten des Motors, der Lenkung und der Straßenlage bis hin zur Aerodynamik stimmt einfach alles — deswegen ist »Revs« auch besonders schwer zu spielen. In einer der nächsten Ausgaben werden wir »Revs« genauer vorstellen.

Pit Stop II

»Pit-Stop II« (Bild 4) ist eine Fahrsimulation für zwei Spieler gleichzeitig. Die Grafik ist umwerfend, das Spiel macht Spaß. Nach einiger Zeit kann es jedoch zu Verkrampfungen der Joystickhand kommen. In der Simulation sind auch Reifenabnutzung und Benzinverbrauch berücksichtigt.

Bild 4. »Pitstop II« ist eine Formel 1-Simulation für zwei »Fahrer«

Weitere Fahrsimulationen

Von Commodore gibt es zwei als Module angebotene Fahrspiele: »Road Race« und »Le Mans«. Das erste ist ein Nachbau des alten Night Driver, das zweite ist ein Paddle-gesteuertes Spiel mit Vogel-Perspektive. Beide Spiele sind im Ausverkauf in den Kaufhäusern zwischen 5 und 15 Mark erhältlich. Ein Klassiker ist der Spielhallen-Hit »Pole Position« der aber nicht an »Pitstop II« herankommt. Demnächst soll es »Pole Position II« geben, über dessen Qualität noch niemand etwas sagen kann (die Ankündigung war schon vor sechs Monaten).

Wirtschaftssimulationen

Simulationen aus dem kaufmännischen Bereich können in der Finanzplanung, Preiskalkulation oder bei Börsen-Geschäften helfen. Preiskalkulationen werden mit Spreadsheets (= Tabellenkalkulationsprogrammen) durchgeführt. Bei der Änderung eines Wertes im Spreadsheet passiert eigentlich nichts anderes als eine »Was wäre, wenn…«-Simulation. Spielerisch kann man das natürlich auch auskosten. Neben den Tabellenkalkulationen kann man auf dem C 64 folgende Simulationen erleben:

M. U. L. E.

Die beste Wirtschaftssimulation, die es im Augenblick für den C 64 gibt. Sie landen auf dem Planeten Irata, auf dem Sie mit Landwirtschaft, Energie- und Erzabbau Geld machen müssen. Muß man unbedingt haben, wenn man lange und viel Spaß haben will. Mit bis zu vier Spielern gleichzeitig.

Millionaire

Blue Chip Software, die Spezialisten für Wirtschaftsspiele, haben mit Millionaire ein gutes Börsenspiel entwickelt. Die C 64-Version ist im Gegensatz zu anderen Versionen grafisch mißlungen. Dafür aber tut sich spielerisch einiges. Bis zu 14 Leute können mitspielen.

Kaiser

Sie sind im Jahr 1700 Regent eines deutschen Kleinstaates. Eine Simulation der Zusammenhänge wirtschaftlicher, sozialer und militärischer Faktoren. Spielerisch und grafisch nicht übel; die einzige deutschsprachige Simulation, die es derzeit gibt. Bis zu sechs Spieler.

Tycoon

Ein Spiel, in dem es um Handel geht. Der Spieler muß jeweils in die günstigsten Waren investieren und mit bestmöglichem Gewinn verkaufen. Bis zu 14 Spieler.

Was kommt als nächstes?

Man kann natürlich noch wesentlich mehr simulieren als hier angegeben, und auch die Anzahl der erhältlichen Spiele ist riesig. Wir haben nur die interessantesten herausgepickt. In Zukunft wird sich wohl noch so einiges tun. Wer »Radar Raiders« auf dem Amiga gesehen hat, will den »Flight Simulator II« in die Ecke schmeißen. Wer von »Pole Position II« schwärmt, muß leider vorerst noch in die Spielhalle gehen. Und die Zukunft wird sicher noch so einiges bringen, von dem wir heute noch nicht mal zu träumen wagen. Wer mit einem Flugsimulator der nächsten Generation abstürzt, wird vielleicht wegen der Echtheit der Simulation eine dieser Tüten, die in jedem Flugzeug Grundausstattung sind, benötigen. Hoffen wir das Beste für unsere mutigen Piloten und Chauffeure, ob nun am Heimcomputer oder in der Realität.

(Manfred Kohlen/bs)
PDF Diesen Artikel als PDF herunterladen
Mastodon Diesen Artikel auf Mastodon teilen
← Vorheriger ArtikelNächster Artikel →