Viermal Schachmatt
In einem spannenden Turnier haben wir vier Schachprogramme für den C 64 gegeneinander antreten lassen. Außerdem ließen wir sie gegen den Weltmeister der Schachcomputer, das deutsche Seriengerät »Mephisto« spielen.

In der letzten Ausgabe wurden vier Schachprogramme für den C 64 vorgestellt: »Grandmaster«, »Chess 7.0«, »Sargon III« und »Colossus 4.0«. In der Zwischenzeit haben wir einen Wettkampf veranstaltet, in dem wir alle Programme unter Turnierbedingungen gegeneinander spielen ließen. Die normalen Turnierbedingungen sehen so aus, daß in einer Partie 40 Züge in zwei Stunden ausgeführt werden müssen. Da praktisch jedes Schachprogramm eine Turnierstufe anbietet, haben wir unter diesen Voraussetzungen spielen lassen. Außerdem haben wir alle Schachprogramme so »intelligent« wie nur möglich gelassen. Das heißt, daß »Sargon III« und »Colossus 4.0« die Bedenkzeit des Gegenspielers für eigene Berechnungen ausnutzen durften. Zusätzlich wurde die sehr umfangreiche Eröffnungsbibliothek von »Sargon III« nicht abgeschaltet. Das verschaffte manchen Programmen zwar von vorneherein große Vorteile über die Gegenspieler. Allerdings wird ein guter menschlicher Spieler ja in einem Turnier auch nicht ein paar Stufen heruntergeschaltet, nur weil er einen etwas schwächeren Gegner hat.
Das Ergebnis
Kommen wir nun zu den Ergebnissen des Turniers, die wir in einer Tabelle zusammengefaßt haben. Daraus geht klar hervor, daß »Grandmaster« das schwächste der getesteten Programme war. »Chess 7.0« bestreitet einsam das Mittelfeld. Am spielstärksten haben sich »Sargon III« und »Colossus 4.0« erwiesen.
Die Fronten waren dabei sehr klar — bis auf den Gleichstand zwischen »Sargon« und »Colossus« ist das Ergebnis eindeutig.
Dieses Ergebnis kann man nun auch ein wenig analysieren. Daß »Grandmaster« so schlecht abschneidet, ist gar nicht so verwunderlich. Das Programm ist jetzt knapp vier Jahre alt und ist somit nicht auf dem neuesten Stand der Schach-Programmierung. Die anderen drei Programme sind wesentlich jünger und können mit ihren neuen Algorithmen effektiver spielen.
Daß sich »Sargon III« und »Colossus 4.0« gegenüber »Chess 7.0« durchsetzen konnten, liegt sicher an deren Möglichkeit, die Bedenkzeit des Gegeners für eigene Berechnungen zu nutzen. Beide berechnen während der normalen Bedenkzeit den besten Zug des Gegners. Auf dieser Basis führen sie dann schon Überlegungen für den nächsten Zug durch, während der Gegner noch über seinen nachdenkt.
»Sargon III« kann schließlich noch mit seiner riesigen Eröffnungsbibliothek in der ersten Spielphase so viele Vorteile herausholen, daß im weiteren Verlauf des Spiels die anderen Schachprogramme stets im Nachteil sind und nur mit Glück und besonders guten Zügen gegen »Sargon III« widerstehen können. Deswegen verwunderte der Erfolg von »Colossus 4.0« gegen »Sargon III« sehr. Die allgemeine Spielstärke von »Colossus 4.0« muß wohl, sieht man von der sehr viel kleineren Eröffnungsbibliothek ab, größer als die von »Sargon III« sein.
Zu guter Letzt sei gesagt, daß selbst ein Turnier von jeweils vier Partien der Programme gegeneinander noch keine absoluten Aussagen über die Spielstärke machen kann. Die festgestellten Tendenzen sind aber eindeutig.
Die Herausforderung: Mephisto
Um das Turnier abzurunden, wollten wir einen »echten« Schachcomputer mitspielen lassen. Aus Zeitgründen mußten wir uns aber auf einige Partien gegen »Sargon III«, »Colossus 4.0« und »Grandmaster« beschränken. Als Schachcomputer haben wir uns dasjenige Gerät herausgesucht, das von Spezialisten als das stärkste Seriengerät bezeichnet wird: »Mephisto« von der deutschen Firma Hegener & Glaser. Bei den Partien gegen »Grandmaster« fegte »Mephisto« seinen Gegenspieler in weniger als dreißig Zügen vom Brett. Etwas länger konnten sich die Testsieger »Sargon III« und »Colossus 4.0« halten. Aber auch sie mußten sich »Mephisto« eindeutig geschlagen geben. Ein auf Schach spezialisierter Computer ist also sehr viel spielstärker als ein »Universalcomputer« wie der C 64 mit einem guten Programm. Denn während der »Mephisto« eben nur Schach spielen kann, ist der C 64 ganz nebenbei auch als Textverarbeitungssystem oder als Lernmittel zur Programmierung einsetzbar.
Verblüffend ist, daß C 64 wie Mephisto vom technischen Standpunkt sehr ähnlich sind. Beide verwenden fast denselben Prozessor und sind somit ähnlich programmiert — allerdings ist der Mephisto von vorne herein etwas schneller und muß sich dann auch nicht mit Bildschirmgrafik und Soundeffekten herumschlagen wie der C 64. Somit hat er intern viel mehr Zeit für seine Berechnungen.
Was für wen?
Die klare Folgerung: Wer sehr viel, sehr gerne und sehr gut Schach spielt, ist mit einem guten Schachcomputer besser bedient, auch wenn dieser ein paar Mark mehr als ein Schachprogramm kostet. Wer nur gelegentlich spielt oder sich nicht für einen Meisterspieler hält und auch noch einen C 64 sein eigen nennt, der wird mit einem guten Schachprogramm zufrieden sein. Schließlich bieten manche Schachprogramme einiges mehr an Komfort wie ein Schachcomputer, so zum Beispiel Abspeichern von Partien oder grafische Darstellung. Absolute Schachfans brauchen dann sowieso beides: Schachprogramm und Schachcomputer.
(bs)Info: Grandmaster: Kingsoft, FritzSchäfer, Schnakebusch 4, 5106 Roetgen, 39 Mark (Kassette), 49 Mark (Diskette)
Chess 7.0: Softline, Rut Alverdes, Schwarzwaldstr. 8a, 7602 Oberkirch, 198 Mark (Diskette)
Sargon III: Funtastic, Tannhäuserpl. 22, 8000 München 81, 182 Mark
Colossus 4.0: Rushware, An der Gümpgesbrücke 24, 4044 Kaarst 2, 39 Mark (Kassette), 59 Mark (Diskette)
Mephisto: Hegener + Glaser, Arnulfstr. 12, 8000 München 2
| schwarz | ||||||
| Grand- master |
Chess 7.0 | Sargon III | Colossus 4.0 |
|||
| weiß | Grandmaster | — — | 1 0 | 0 0 | 0 0 | +1 |
| Chess 7.0 | 1 1 | — — | .5 1 | 0 1 | +4.5 | |
| Sargon III | 1 1 | 1 1 | — — | 1 .5 | +5.5 | |
| Colossus 4.0 | 1 1 | 1 .5 | .5 1 | — — | +5 | |
| -6 | -4.5 | -3 | -2.5 | |||
Gesamtergebnis:
| Grandmaster | -5 |
| Chess 7.0 | 0 |
| Sargon III | + 2.5 |
| Colossus 4 | + 2.5 |