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PCW — Computermesse in London

Zur gleichen Zeit wie die Berliner Funkausstellung fand in London die größte Computermesse Englands, die PCW-Show, statt.

Knapp eine Woche lang gehörte das Olympia, ein Messegelände von der Größe eines Fußballfeldes, den Computer- und Software-Firmen (Bild 1). Wie schon seit 7 Jahren trafen sich Englands Anbieter um ihre Produkte vorzustellen. Die von Jahr zu Jahr stets stärker werdende Software-Branche hatte dann auch die Hardware-Anbieter fast verdrängt: Auf gut 80 Prozent der Ausstellungsfläche gab es die neuesten Programme zu sehen, wobei sich das Angebot beinahe nur auf Spiele beschränkte. Die Messe wird von der PCW (Personal Computer World), einer britischen Zeitschrift für Business-Anwendungen, gesponsort. Da sich diese Zeitschrift wenig mit Spielen beschäftigt, ist geplant, im nächsten Jahr die Spieleanbieter von der Messe auszuschließen.

Bild 1. Ein Blick von oben auf das Gedränge am Commodore-Stand auf der PCW-Show

Da gleichzeitig zur PCW-Show in England der Verkauf des C 128 beginnen sollte, war er natürlich Thema Nummer 1 am Commodore-Stand oder sollte es zumindest sein. Denn Commodore England hatte zwar zwölf C 128-Geräte aufgestellt, doch auf elf von ihnen liefen nur Spiele im C 64-Modus, so zum Beispiel »Way of the Exploding Fist« und »Dropzone«. Nur Vorankündigungen und Prospekte gab es für die Floppy 1571 und den Monitor 1902, Fertiggeräte oder Prototypen gab es nicht zu sehen. Die Auslieferung scheint also, zumindest in England, noch einige Probleme zu bereiten.

Zwei Programme konnten wir auf der Messe entdecken, die den C 128 ausnutzen. Es handelt sich um die umgeschriebenen Versionen der C 64-Programme »Superbase« und »Superscript«, ein Datenbanksystem und die dazugehörige Textverarbeitung. Entwickelt wurden sie von Precision Software. »Superbase« ist auf dem C 64 immer noch die leistungsfähigste Datenbank. Die C 128-Version bietet noch viele neue Leistungsmerkmale, darunter die 80-Zeichen-Darstellung. In Verbindung mit der 1571 sind die Diskettenzugriffe um den Faktor 10 beschleunigt worden, so daß professionelles Arbeiten ohne weiteres möglich ist. Die Textverarbeitung »Superscript« arbeitet wahlweise mit Menüs oder Direktkommandos. Es ist eine Mini-Tabellenkalkulation für Rechnungen im Text integriert. Neben allen Standard-Befehlen bietet »Superscript« die 80-Zeichen-Darstellung, enorm hohe Geschwindigkeit und die Möglichkeit, Befehlsmakros zu definieren. Da beide Programme nur 64 KByte benötigen, können sie gleichzeitig im Speicher des C 128 stehen und es kann ohne Datenverlust zwischen ihnen hin- und hergeschaltet werden. Natürlich ist auch der Austausch von Daten möglich. Die Programme sind im Prinzip fertig, befinden sich aber noch in der Testphase. Sie sollen noch dieses Jahr in England erhältlich sein, die Frage nach einem deutschen Vertrieb ist noch nicht geklärt.

Neuheiten auf dem Musik-Sektor gab es am Stand von Commodore zu sehen. Dort war die Firma Music Sales Ltd. zu Gast, die sich auf Musik-Soft- und Hardware spezialisiert hat. Vorgestellt wurden zwei Hardware-Erweiterungen mit dazu passender Software. Das »Sound Studio« verwandelt ihren C 64 in eine achtstimmige Heimorgel mit Rhythmusgerät und automatischer Begleitung. Die dazugehörende Software bietet 16 verschiedene Instrumente, 16 Rhythmen und 16 Begleitungen an. Weitere Eigenschaften der Software sind: Aufsplitten des Keyboards in zwei Hälften, um zwei Instrumente gleichzeitig zu spielen und eine Ein-Finger-Melodie-Automatik für den Musik-Laien. Zwei Zusätze wurden gleich dazu vorgestellt: Ein Editor-Programm, um sich eigene Sounds zu programmieren und eine Zusatztastatur (Bild 2), die der einer Heimorgel in nichts nachsteht.

Bild 2. Mit dieser Zusatztastur und einem Modul im Expansion-Port wird der C 64 fast zur professionellen Heimorgel

Ein echter Hammer ist der »Sound Sampler« von Music Sales Ltd., mit dem sich Geräusche digitalisieren und in allen Tonhöhen wiedergeben lassen. Diese Zusatzhardware für den Expansion-Port des C 64 (Bild 3) bietet maximal vier Kanäle zur Tonausgabe. Der »Sound Sampler« kann aber noch mehr: Er ist gleichzeitig ein digitales Echo- und Hallgerät mit frei einstellbarem Dämpfungs- und Zeitverhalten und ein Echtzeitvocoder, mit dem man seine Stimme beliebig verzerren kann, beispielsweise in die von Donald Duck oder Darth Vader. Die Fähigkeiten des »Sound Samplers« wurden in einer Live-Vorführung wirkungsvoll demonstriert. Höhepunkt war ein waschechter Rap, der von drei C 64 mit »Sound Sampler« unterstützt wurde und einer professionellen Produktion in nichts nachstand. Dieses Zusatzmodul soll inklusive der Software unter hundert Pfund kosten, was knapp 400 Mark entspricht. In England wird der »Sound Sampler« über Commodore vertrieben, der deutsche Vertrieb ist noch nicht geklärt.

Bild 3. In diesem unscheinbaren Kasten verbirgt sich der Sound Sampler

Das letzte interessante Nicht-Spiel war »The Music System«, ein neues Musik-Programm, das den SID-Chip bis aufs letzte Eck ausnutzt. Weitere Schlagwörter sind: Benutzerführung durch Windows, Midi-Kompatibilität und Ausdruck von Notenblättern. Programmiert wurde in Zusammenarbeit mit der Plattenfirma »Island Music«, vertrieben wird das Programm über Firebird, in Deutschland demnächst über Rushware.

Der Rest des Software-Angebots, gut 90 Prozent, bestand nur aus Spielen. Einige interessante Neuheiten wurden vorgestellt: »Winter Games« von Epyx ist nun fertig und soll Ende Oktober ausgeliefert werden. Ocean kündigte zwei Spiele zu Film-Hits an: »The Neverending Story« (Die unendliche Geschichte) und »Rambo — First Blood Part 2«, der in Deutschland unter dem Titel »Rambo II — Der Auftrag« die Kinoleinwände blutig macht. Überhaupt erobern immer mehr bekannte Persönlichkeiten den Computerschirm: Melbourne House kündigte »Lord of the Rings — Game One« und »Asterix« an. Bei U.S. Gold gab es »Zorro« und »The Goonies« nach dem neuesten Film von Steven Spielberg zu sehen.

Die beiden neuen Lucasfilm-Spiele »The Eidolon« und »Koronis Rift« sind für die Atari-Computer fertiggestellt und lieferbar, die C 64-Versionen sind gerade in Arbeit. Zu sehen waren sie am Stand von »Activision«, die die europäischen Rechte an Lucasfilm-Spielen erworben hat. Weiterhin neu im Angebot bei Activision sind »Hacker«, ein Adventure-Action-Strategie-Logik-Spiel, bei dem man alles selber herausknobeln muß, »The Little Computer People Research Project«, ein putziges Spiel mit kleinen Menschen, die im C 64 wohnen und mit denen man sich unterhalten kann, und »Barry McGuigans Boxing«, ein sehr gut gelungenes Sportspiel. Alle Spiele werden ab sofort in England und Deutschland fast gleichzeitig erscheinen, da Activision eine deutsche Zentrale in Hamburg gegründet hat.

Das letzte interessante Produkt für C 64-Besitzer ist das »Laser Basic« mit dazu passendem Compiler. Hervorgegangen ist dieses neue Basic aus dem »Basic Lightning«. »Laser Basic« ist voll auf Spieleprogrammierung ausgerichtet. So hat man neben den acht Hardware-Sprites auch 255 Software-Sprites beliebiger Größe zur Verfügung. Eine deutsche Version ist in Vorbereitung, die in Kürze bei Quelle erhältlich sein soll.

Der Gesamteindruck von der Messe läßt sich kurz zusammenfassen: Spiele sind in, Musik kann sich noch halten, professionelle Anwendungen sind out. Diese Aussage gilt natürlich nur für den englischen Markt. An Hardware bleiben die Engländer bei ihren bewährten Spielemaschinen, dem C 64 und dem Spectrum. Erfreulich ist der Trend zu niedrigen Preisen: Kaum ein Spiel ist noch teurer als zehn Pfund, was zirka 40 Mark entspricht. Diese Preise schlagen sich auch nach und nach auf dem deutschen Markt nieder. Alles in allem steht uns noch einiges an hochqualitativen Spielen aus England bevor.

(bs)

Info: Precision Software Ltd., Park House, 4 Park Terrace, Worcester Park, Surrey KT4 7JZ, England
Music Sales Ltd. über Commodore (UK) Ltd., 1 Huntersroad Weldon, Corby NN17 1QX, Northamptonshire

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