C 64
Spiele

Viermal Schachmatt

Im Zeitalter der Grafik-Actionspiele ist es etwas still um sie geworden: die Schachprogramme. Doch auf diesem Sektor gibt es sehr gute Programme. Vier bekannte Titel stellen wir Ihnen vor.

Schachprogramme gibt es fast schon so lange wie Computer. Spielstarke Schachprogramme, die auch Profis ins Schwitzen bringen, sind dagegen noch relativ jung. Schachprogramme werden gerne als Paradebeispiel für den Begriff der Künstlichen Intelligenz herangenommen. Schach hat klare, feste Regeln, die sich relativ einfach in Computerbefehle fassen lassen. Die Probleme beginnen aber da, wenn man dem Computer »vernünftiges« Spielen beibringen will. Auf diese Problematik näher einzugehen, würde aber zu weit führen. Hier sollen uns nur Komplettlösungen, auf gut Deutsch fertige Schachprogramme interessieren. Vier der bekanntesten haben wir uns herausgesucht, um sie Ihnen heute vorzustellen.

Grandmaster

Grandmaster (Bild 1) ist das älteste der hier vorgestellten Programme. Es ist schon seit 1982 im Vertrieb und nicht nur für den C 64, sondern auch für den VC 20 und den C 16 erhältlich.

Großen Bedienkomfort kann man bei Grandmaster nicht erwarten. Die Züge werden in normaler Notation über die alphanumerische Tastatur eingegeben. Es stehen neun Spielstufen zur Verfügung, die sich jeweils durch die durchschnittliche Bedenkzeit unterscheiden. Sogar eine Analyse-Stufe gibt es, die innerhalb von mehreren Stunden oder Tagen acht Halbzüge tief alle Stellungen auslotet, um den besten Zug zu finden. Leider kann man bei Grandmaster weder Stellungen eingeben noch abspeichern und laden, so daß eine echte Problemanalyse praktisch unmöglich ist.

Grandmaster ist für alle die empfehlenswert, die nicht viel Geld ausgeben wollen und nur einen Schachpartner für gelegentliche Spiele suchen. Schachfreaks werden allerdings sehr bald an die Grenzen von Grandmaster stoßen.

Der Hersteller Kingsoft hat allerdings ein Grandmaster II in Arbeit, das vielleicht noch Ende 1985 erscheinen soll. Es soll in vielen Punkten erheblich verbessert werden. Genauere Angaben haben wir aber noch nicht erhalten.

Bild 1. Grandmaster — Der Oldtimer der Schachprogramme

Chess 7.0

Auch Chess 7.0 (Bild 2) ist schon etwas älter. Allerdings ist Chess 7.0 auf einem Gebiet immer noch ungeschlagen: dem Bedienungskomfort. Mit ganzen drei Tasten, den Cursortasten und Return, werden alle Funktionen angesteuert und abgewickelt. Chess 7.0 geizt auch nicht mit Zusatzfunktionen, so können Partien abgespeichert und wieder geladen werden. Chess 7.0 merkt sich die letzten 40 Züge, die auch wieder zurückgenommen werden können. Viele Funktionen sind gerade für Schachanfänger interessant: Chess 7.0 kann Zugvorschläge machen, alle bedrohten Figuren und die bedrohenden Figuren anzeigen oder sogar die aktuelle Stellung in Punkten berechnen lassen. Damit ist das Repertoire von Chess 7.0 immer noch nicht ausgeschöpft, aber viele der anderen Funktionen sind so speziell, daß man sie selten verwenden wird. So kann man beispielsweise Blindschach spielen, indem man Chess 7.0 anweist, bestimmte Figuren einfach nicht mehr anzuzeigen. Das einzige, das man vermisst, ist eine Schachuhr. Die wäre allerdings auch nicht mehr auf dem jetzt schon etwas unübersichtlichen Bildschirm unterzubringen gewesen.

Bild 2. Chess 7.0 mit gelungener Menüstruktur

Sargon III

Sargon III (Bild 3) stammt von dem in der Computerschachszene sehr bekannten Ehepaar Spracklen. Die beiden beschäftigen sich schon seit Jahren mit Computerschach und haben all ihre Erfahrungen in Sargon III einfließen lassen.

Auch Sargon III ist recht einfach zu bedienen. Die Figuren können mit dem Joystick oder per Tastatureingabe bewegt werden. Alle anderen Funktionen werden in Verbindung mit der Control-Taste erreicht. Sargon III erlaubt die Speicherung von Partien und Stellungen auf Diskette. Es werden sogar gleich 107 Meisterpartien mitgeliefert. Das sehr ausführliche Handbuch geht auch auf das Schachspielen selber ein, gibt strategische Hinweise und erläutert alle 107 Partien mit Kurzkommentaren.

Ansonsten bietet Sargon III an Zusatzfunktionen auch fast alles, was das Herz begehrt. Man kann Sargon III sogar während der Partie ein Remis anbieten, das er aber auch nur dann annimmt, wenn er nicht in großem Vorteil ist.

Zwei weitere Details machen Sargon III sehr interessant. Da wäre zum einen die Möglichkeit der Druckerausgabe zu nennen. Besonders hervorstechend ist aber die Eröffnungsbibliothek, in der über 68000 Positionen gespeichert sind. Damit ist Sargon III im Eröffnungsspiel nicht nur sehr schnell, er kann sich auch sofort Vorteile für das spätere Spiel verschaffen.

Das letzte Schachprogramm, das wir Ihnen zeigen, ist wirklich brandneu. Es handelt sich um Colossus 4.0 (Bild 4), den Nachfolger zu Colossus 2.0. Colossus 4.0 ist das erste offene Schachprogramm.

Bild 3. Sargon III — Stark in der Eröffnungsphase

Colossus 4.0

Das bedeutet, daß der Spieler einige Parameter des Programms (Bewertungsschema, maximale Halbzugtiefe etc.) verändern kann und somit Einfluß auf die Spielstrategie von Colossus hat. Dementsprechend kann man Colossus auch bei seinem Denkvorgang beobachten, sich Wertungen und Zugvorschläge geben lassen. Diese Informationen werden auf einem zweiten Bildschirm ausgegeben. Zwischen Brett und Informationsschirm kann per Tastendruck hin- und hergeschaltet werden.

Natürlich fehlen auch bei Colossus die anderen üblichen Optionen nicht. Spielstände abspeichern und laden, Problemanalyse und Blindspiel sind für Colossus keine Probleme. Die Bedienung ist sehr komfortabel, es kann entweder über Joystick oder über die Cursortasten oder über die normale alphanumerische Tastaur gespielt werden.

Bei Colossus gibt es keine Schwierigkeitsstufen, sondern sechs verschiedene Spielmodi, die alle mit Zeitlimits versehen werden können. So spielt Colossus im Turniermodus X Züge in Y Minuten, wobei X und Y vom Benutzer wählbar sind. Andere Modi sind der Blitzschachmodus oder der Gleichheitsmodus, in dem Colossus seine Bedenkzeit an die des Spielers anpaßt. Deswegen ist auch eine Schachuhr vorhanden.

In der Analysestufe kann Colossus nicht nur einfache Mattprobleme, sondern auch Selbstmatt- und Hilfsmattprobleme lösen. Die maximale Tiefe beträgt sieben volle oder vierzehn Halbzüge.
Colossus bietet auch noch eine 3D-Darstellung des Schachbrettes, die aber auf Wunsch abgeschaltet werden kann.

Bild 4. Colosuss 4.0 mit 3D-Grafik

Fazit

Die ersten Spiele unseres Turniers zeigen, daß die drei Programme Chess 7.0, Sargon III und Colossus 4.0 ungefähr gleichauf liegen, während Grandmaster von allen dreien übertrumpft wird. Betrachtet man die Preise der einzelnen Programme, so entpuppt sich der Colossus 4.0 allerdings als kleine Sensation. Mit weit unter hundert Mark (der genaue Preis steht noch nicht fest) kann sich Colossus hervorragend gegen die jeweils knapp 200 Mark teuren Programme Sargon III und Chess 7.0 behaupten.

In der Tabelle 1 haben wir die wichtigsten Daten der Programme noch einmal zusammengefaßt.

Grandmaster Chess 7.0 Sargon III Colossus 4.0
Spielstufen 9 15 9 6 Spielmodi
Eröffnungsbibliothek Nein Ja Ja Ja
Partien speicherbar Nein Ja Ja Ja
Bedenkzeit des Gegners ausnutzen Nein Nein Ja Ja
Bauernumwandlung in Dame in Dame bel. bel.
Zugzurücknahme 1 Zug 40 Züge bel. 120 Züge
maximale Halbzugtiefe 8 k.A. k.A. 15
Schachuhr Ja Nein Nein Ja
Zugvorschlag Ja Ja Ja Ja
Eingabe von Stellungen Nein Ja Ja Ja
Preis 49,— 198,— 185,— ca. 70,—
Tabelle 1. Die wichtigsten Daten der 4 Schachprogramme

Unsere Turnierauswertung in der nächsten Ausgabe wird dann an den Tag bringen, welches der vier Programme das spielstärkste ist. Dann treten sie auch gegen den neuen Weltmeister der Schachcomputer — Mephisto Amsterdam — an.

(bs)
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