C 64
Software-Test

Der Preishammer

Wer bisher glaubte, daß ein gutes Textprogramm wenigstens 99 Mark kostet, wird durch Star Texter positiv überrascht.

Über den Nutzen einer guten Textverarbeitung braucht wohl nicht mehr diskutiert zu werden. Das heißt nicht automatisch, daß alle Textverarbeitungsprogramme nützlich sind. StarTexter, die Textverarbeitung aus dem Sybex-Verlag, ist ein treffliches Gegenbeispiel hierzu. Das Programm wird komplett mit sehr gutem deutschen Handbuch, Diskette und einem Funktionsangebot geliefert, das zu dem Preis von 64 Mark seinesgleichen sucht. Da in Deutschland entwickelt, sind klare deutsche Kommandos und eine an die DIN-Norm angelehnte Tastenbelegung mit den deutschen Sonderzeichen (ö,ä,ü,ß) selbstverständlich. Es ist äußerst angenehm, daß man sich sofort nach dem Laden im Schreibmodus befindet, ohne erst durch ungezählte Menüs hindurch zu müssen. Alle notwendigen Funktionen und Einstellungen werden während der Arbeit mit Star Texter aufgerufen, beziehungsweise vorgenommen. Immer gleichbleibende Parameter, wie der Druckertyp, der Zeichensatz, Tastaturbelegungen, Diskettenlaufwerke und Farbeinstellungen werden, nachdem sie einmal festgelegt wurden, fortan immer automatisch mitgeladen.

Wer schon mit anderen Textprogrammen gearbeitet hat, weiß, daß es Funktionen gibt, die häufig benötigt werden und andere, die zwar wichtig, aber eben seltener gebraucht werden. Wichtige Grundfunktionen sind unter anderem Editieren, Verschieben, Suchen, Ersetzen, Laden und Speichern von Texten (Tabelle 1). Man kann sie auch als Ausschlußkriterien bezeichnen, ohne die alle weiteren Sonderfunktionen ihren Sinn verlieren.

  • Editieren (Zeichen- oder blockweise)
  • Kopieren von Textteilen
  • Verschieben von Textteilen
  • Tabulatoren
  • Einfügen, Anhängen von Text von Diskette
  • Löschfunktion
  • Diskettenbefehle
  • Druckereinstellungen
  • Finden von Textteilen
  • Blättern im Text (schnell und langsam)
  • Suchen und ersetzen
  • Schnittstelle zur Datenverwaltung
  • Textformatierung, Trennhilfe
  • Blocksatz, Zentrieren
  • deutsche Umlaute
  • 80-Zeichen-Darstellung
  • Insert-Modus
  • Rechnen im Text
  • Rechnen und programmieren
  • Blöcke rollen (horizontal)
  • Druckervoreinstellungen
  • Grafikdruck (ESC *)
  • mehrere Zeichensätze
  • Entwurfsblatt für Zeichensätze
  • Centronics-Schnittstelle eingebaut
  • Cursor-Indikator
  • Abschaltautomatik
  • Schriftart (ESC !)
  • Farbeinstellungen
  • verschiedene Tastaturen
  • Geräteadresse frei wählbar
  • Sekundäradresse frei wählbar
  • Parameter abspeichern
  • komplette Formatierung
  • Reformatierung
  • nachträgliche Markierung der Absätze
Tabelle 1. Umfassend und vollständig — die Funktionen von Star Texter

Star Texter verfügt über alle Grundfunktionen. Editieren, Verschieben, Löschen und Kopieren funktionieren schnell und korrekt. Leider sind diese Operationen teilweise blockorientiert, das heißt sie sind immer nur auf ganze Zeilen anwendbar. Während es durchaus möglich ist, beliebig viele Worte mitten in einen Text einzufügen, können Textteile immer nur als ganze Zeilenblöcke verschoben werden.

Neben der Qualität der Grundfunktionen gewinnen die Sonderfunktionen, die für manche Anwendung besonders wichtig sind, an Bedeutung. Gerade in diesem Punkt hebt sich Star Texter von seiner Konkurrenz ab. Zunächst fällt auf, daß es zu keinem Zeitpunkt notwendig ist, die Systemdiskette nochmals einzulegen, dem Anwender bleibt es erspart, sich als Diskjockey zu betätigen.

Wie fast alle bekannten Textprogramme versucht auch Star Texter, die 40-Zeichendarstellung zu umgehen. Das Schreibfeld besteht aus 21 Zeilen und bis zu 80 Spalten. Der Bildschirm wird dabei horizontal verschoben. Ein kleines Fenster am oberen Bildschirmrand gibt jederzeit Aufschluß über die aktuelle Cursorposition in einer Zeile (Bild 1). Andere Fenster informieren über die aktuelle Zeile und Spalte sowie über den jeweiligen Befehlsmodus. Da der Text nach der 21. Zeile ebenfalls vertikal verschoben wird, bis die maximale Zeilennummer 250 erreicht ist, kann man auch von einem großen Arbeitsblatt sprechen. Dieses Arbeitsblatt besteht aus 20000 Zeichen oder umgerechnet etwa sechs bis sieben Schreibmaschinenseiten. Wer mit diesem Textspeicher nicht auskommt, ist auf das Aneinanderbinden einzelner Schriftstücke angewiesen. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, daß Star Texter auch bei fast gefülltem Textspeicher kaum langsamer wird.

Bild 1. Die Bildschirmbreite wird voll genutzt

Bildschirm = Ausdruck

Manchmal ist es von Nutzen, ein Schriftstück so betrachten zu können, wie es später auf dem Papier abgedruckt wird. Nur so läßt sich feststellen, ob die Absätze stimmen, die Überschriften korrekt sind und der gesamte Text harmonisch verteilt ist. Star Texter bietet dafür einen sehr sinnvollen, weil einfach zu bedienenden, 80-Zeichenmodus an. Durch einfaches Drücken auf die CBM und SHIFT-Tasten wird der gesamte Text umformatiert und kann zwar mit deutlich kleineren Zeichen, aber dafür in seiner Originalbreite, gelesen werden. Drucksonderfunktionen, wie beispielsweise Fettschrift und Unterstreichungen, bleiben (auf dem Bildschirm) allerdings unberücksichtigt. Der 80-Zeichen-modus ist vor allem dann von großem Nutzen, wenn es um die Erstellung von Tabellen und formatierten Texten geht. Für diese Aufgabe bietet Star Texter noch eine weitere sehr sinnvolle Ergänzung an: die Rechenfunktion. Es sind alle Rechenoperationen und die im Commodore-Basic üblichen Operationen und Befehle gestattet. Der eigentliche Clou an diesem Modus ist seine Programmierbarkeit. Mit einem Befehlsspeicher von 3325 Bytes lassen sich schon manche nützlichen Routinen programmieren und im Text einbinden. So werden Anwendungen denkbar, bei denen im Text verschiedene Werte errechnet und anschließend weiterverarbeitet werden. Das Schreiben von Rechnungen, Listen und Karteikarten könnten solche Anwendungen sein.

Bei der Frage, wie ein bedienungsfreundliches Programm aussehen soll, scheiden sich die Geister. Die beim Star Texter getroffene Menüstruktur stellt eine Mischung aus Baum- und seitenorientierten Menüs dar. Man könnte dieses Prinzip auch als Seitenkonzept bezeichnen, denn Star Texter verwendet nur drei Haupt- und ein kleines Untermenü. Alle Hauptmenüs werden mit den Funktionstasten aufgerufen und sind nach Themenkreisen geordnet. Es gibt ein Diskettenmenü, ein Druckermenü und ein Sammelmenü, das selbst wiederum aus drei Seiten besteht. Während das Floppy- und Druckermenü ihre Funktion selbst erklären, sind im Sammelmenü alle nicht direkt zuzuordnenden Funktionen vereinigt. Einige dieser insgesamt 30 Einstellparameter werden von kaum einem bisher bekannten Programm angeboten. Beispielsweise der Unterpunkt Zeichensatz: Auf der Programmdiskette werden drei vorprogrammierte Zeichensätze, (CBM, Atari, Futura) mitgeliefert. Diese Zeichensätze kann man als Beispiele ansehen, denn prinzipiell ist Star Texter in der Lage, jedes beliebige Zeichen abzubilden. Damit der Entwurf eines neuen Zeichensatzes nicht zum Problem wird, hat man auf der Diskette gleich auch ein Hilfsprogramm abgelegt. Es nennt sich Star Font (Bild 2), ist sehr komfortabel und läßt fast jede Manipulation des Zeichensatzes zu. Die Palette der Anwendungen dieses Modus reicht von einzelnen wissenschaftlichen Zeichen bis hin zum kompletten Zeichensatz. Das ganze Entwerfen eines Zeichensatzes könnte natürlich als netter Gag bezeichnet werden, wenn es da nicht noch eine andere Funktion gäbe, mit der die neuen Zeichen auch auf dem Drucker verewigt werden könnten. Star Texter verfügt über einen Grafikdruck, der zwar deutlich langsamer, aber dafür eben jedes beliebige Zeichen drucken kann. Allerdings wird der Wert der Funktion dadurch geschmälert, daß selbst auf einem Epson- oder Star-Drucker alle Zeichen (auch die nicht geänderten) im »Zitter-Rumpel-Verfahren«, wie es von der MPS 802-Grafik her bekannt ist, ausgegeben werden. Hier wäre es sinnvoll, die Grafikfähigkeit eines angeschlossenen Matrixdruckers besser auszunutzen. Daß der Autor sich über die Fähigkeiten verschiedener Drucker durchaus im klaren war, zeigen zwei andere Funktionen. Zum einen kann die Punktdichte beim Epson mit ESC »*« des Grafikausdrucks variiert werden, zum anderen ist die ESC »!« (Wahl der Schriftart) Funktion durch einen einfachen Parameter einzustellen.

Bild 2. Mit Starfont eigenen Zeichensatz entwickelt

Formatieren leicht gemacht

Es hieße, einiges der Fähigkeiten einer computergestützten Textverarbeitung zu verschenken, wenn man auf einen Formatier-Modus verzichtet. Star Texter tut dies nicht. Er bietet, angewählt durch den Parameter »Trennungen« im Sammelmenü und aufgerufen aus dem Druckermenü, eine sinnvolle Funktion zum Trennen zu langer Worte und Sätze. Setzt man den entsprechenden Parameter, so fragt Star Texter beim Bildschirm-Formatieren (und bei der Komplett-Formatierung) in (fast) jeder Zeile nach, ob ein Wort getrennt werden soll oder nicht. Insbesonders in Verbindung mit dem ebenfalls leicht einstellbaren Blocksatz (rechter und linker Randausgleich) wird so vermieden, daß zu große Lücken in einer Textzeile entstehen. Ebenso einfach wie das Formatieren eines Textes ist auch die Wahl des Druckertyps. Dabei sind für die wohl derzeit am meisten verbreiteten Drucker (Commodore, Epson, Star) spezielle Druckmodi voreingestellt, wobei unterschieden wird, ob ein Drucker mit Harware-Interface (Görlitz, Data Becker, Wiesemann) oder aber nur mit einem Kabel am User-Port angeschlossen ist. Betreibt man einen Drucker mit Centronics-Schnittstelle, kann jegliches Interface (bis auf das Kabel) entfallen, denn Star Texter hat einen eigenen Druckertreiber. Bei solcher Leistungsfähigkeit verwundert es kaum noch, daß alle selbstdefinierten Zeichen und die deutschen Sonderzeichen auch auf den Commodore-Druckern, die dazu normalerweise nicht in der Lage sind, wiedergegeben werden.

Star unter den Sternen

Vergleicht man Leistungsfähigkeit und die komplette Ausstattung von Star Texter mit dem Preis von 64 Mark, so dürfte es derzeit wohl kaum einen Konkurrenten geben. Zwar ist das zeilenweise Verschieben und Kopieren sicher noch zu verbessern und auch beim Grafikdruck ist noch nicht das Optimum erreicht. Dafür bietet Star Texter aber ein umfangreiches, absturzsicheres und vor allem leicht zu bedienendes Leistungsangebot, das hauptsächlich bei den Sonderfunktionen glänzt. Frei definierbare Zeichensätze, Grafikdruck und Formatmodus sind schon fast Argument genug, um dieses Programm als gut zu bezeichnen. Der 80-Zeichenmodus, der ohne zusätzliches Nachladen bereitsteht, dürfte für ein Programm in dieser Preisklasse wohl einmalig sein. Mit seinem anwenderfreundlichen Preis (64 Mark) und einem fast durchweg gelungenen Konzept dringt Star Texter eindeutig in die Spitzenklasse aller Textverarbeitungsprogramme für den C 64 vor.

(Arnd Wängler/gk)
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