Dem Klang auf der Spur (7)
Der vorliegende Abschnitt wird dem Titel dieser Reihe in besonderer Weise gerecht. Anhand einiger Beispiele wird gezeigt, was man alles an Klängen und Tönen aus dem SID herausholen kann, wenn man über die Programme Modulator (Ausgabe 4 und 5/85) und Sound-Editor (7/85) verfügt.
Zunächst einige allgemeine Tips zur Suche nach Klängen und Effekten.
Der Sound-Editor eignet sich eigentlich gut zum Experimentieren durch Versuch und Irrtum, da das Resultat immer unmittelbar hörbar wird. Dennoch sollte man sich über die Wirkung der vielen möglichen Einstellungen schon vorher im klaren sein, um gezielt experimentieren zu können. Dazu einige praktische Hinweise unter Verzicht auf theoretischen Ballast:
1. Mit der Grundeinstellung anfangen
Wenn man eine ganz neue Einstellung machen möchte, beginnt man am besten mit der Grundeinstellung, die nach dem Start des Programmes vorliegt. Es ist nur Stimme 1 mit einem völlig unmodulierten, symmetrischen Rechteckklang hörbar. Die voreingestellte Hüllkurve hat einen leicht perkussiven Charakter (kurzes Attack/Anschwellen) und mittellanges Decay (Halten) und eine angenehme Ausklingphase (mittellanges Release).
2. Kurvenform und Hüllkurve wählen
Man beginnt mit dem Untermenü Stimme (Shift V). Dort kann man die wichtigsten SID-Parameter, wie Kurvenform, Hüllkurve und Tonlage, einstellen. Die Pulsweite PW ist nur bei der Rechteckkurve relevant. Der voreingestellte Wert 2048 entspricht einem symmetrischen Rechteck. Es ist empfehlenswert, von dieser Einstellung abzuweichen, da unsymmetrische Rechtecke obertonreicher sind und damit meistens interessanter klingen. Der Portamento-Effekt ist übrigens nur bei Werten größer als 0 aktiv.
3. Kurvenformen kombinieren
Interessante und sehr obertonreiche Klänge erhält man, wenn man im CONTROL-Register das Bit für Rechteck zusammen mit dem für Dreieck oder Sägezahn setzt. Man muß dabei auch etwas mit der Pulsweite experimentieren, da bei bestimmten PW-Werten überhaupt nichts hörbar ist. Versucht man, Rauschen mit einer anderen Kurvenform zu kombinieren, kann es passieren, daß sich der Oszillator »aufhängt«. In diesem Fall muß das TEST-Bit kurz ein- und ausgeschaltet werden, damit wieder etwas hörbar wird.
4. Sustain-Modus
Oft ist es erwünscht, daß ein Ton oder Klang auch ohne Tastenbetätigung weiterklingt, zum Beispiel wenn man in Ruhe die Wirkung von Parameteränderungen studieren möchte. Dazu ist der Sustain-Modus vorgesehen. Man muß dazu nur die Taste »S« betätigen. Eine weitere Betätigung schaltet diesen Modus wieder aus.
5. Filter
Das Filter ist eine etwas problematische Komponente des SID. Versuche mit mehreren C 64-Exemplaren haben ergeben, daß Klangeinstellungen, die das Filter einbeziehen, von Gerät zu Gerät unterschiedlich klingen. Bei gleichen Einstellungen machen die verschiedenen SID-Filter unterschiedlich auf oder zu. Es kann daher vorkommen, daß die Sounds mit den hier abgedruckten Parametersätzen nicht »gut klingen«, sofern sie das Filter verwenden. Abhilfe schafft man dadurch, indem man die Filterfrequenz nach oben oder unten korrigiert, bis das Resultat zufriedenstellend klingt. Eine Filterwirkung ist nur dann hörbar, wenn mindestens eine Stimme auf das Filter geschaltet wird (Spalte SCHALTER) und wenn mindestens ein Modus (LP, BP oder HP) aktiviert ist.
6. Modulationen
Richtig interessant werden Klänge erst durch Modulationen. Damit eine Modulation wirksam wird, müssen in zwei Untermenüs Einstellungen gemacht werden. Zuerst legt man im Untermenü KSV (Kreuzschienen-Verteiler) fest, welche Modulationsquelle (LFO 0-6 oder der Soft-Hüllkurvengenerator) auf welches Ziel (Frequenzen, Pulsweiten, Filterfrequenz, Lautstärke) wirken soll. Am besten beginnt man einmal mit einer Frequenzmodulation durch einen LFO. Eine 1 in der rechten oberen Ecke der KSV-Matrix zum Beispiel schaltet LFO 0 auf die Frequenz von Stimme 1. Dann muß die Modulationsquelle selbst eingestellt werden.
Ein LFO ist erst dann wirksam, wenn:
- die Frequenz LFOF größer als 0 ist,
- die Amplitude LFOA größer als 0 ist,
- MODUS auf RUN geschaltet ist,
- bei KURVE = SQUARE die Pulsweite LFOP größer als 0 ist.
Der Software-Hüllkurvengenerator ist wirksam, wenn:
- Attack A größer als 0 ist,
- die Amplitude EGA größer als 0 ist,
- MODUS auf RUN geschaltet ist.
Für vernünftige Hüllkurven sollten auch die Parameter Decay D und Release R größer als 0 gewählt werden. Der Soft-Hüllkurvengenerator wird durch die SPACE-Taste ausgelöst. Durch Shift-SPACE kann man die Triggerung des Soft-EG (EG = Envelope Generator) an das normale Spielen von Tönen koppeln. Ein weiteres Shift-SPACE hebt diese Kopplung wieder auf.
7. Die Tiefe der Modulationen
Die Modulationstiefe (das ist der Grad der Modulationswirkung) wird über die Amplitude der Modulationsquelle (LFOA beziehungsweise EGA) eingestellt. Für die Modulation von Pulsweite, Filterfrequenz und Lautstärke werden relativ große Modulationsamplituden benötigt, damit ein Effekt hörbar wird (etwa ab 20 aufwärts). Die Frequenzmodulation reagiert dagegen empfindlicher. Amplituden bis maximal etwa 10 werden als Vibrato empfunden, das heißt der modulierte Ton wirkt noch, einheitlich in seiner Tonhöhe, wird aber breiter und lebendiger empfunden. Amplituden über 10 bewirken einen zunehmenden Heulton- oder Sirenen-Effekt. Natürlich hat auch die Modulationsgeschwindigkeit LFOF einen starken Einfluß auf das Klangbild des modulierten Tones.
8. Sprünge zwischen zwei Tönen
Durch Frequenzmodulation mit einer Rechteckkurve erreicht man, daß die Frequenz nicht auf- und abgleitet, sondern zwischen zwei Werten hin und her springt. Durch geeignete Wahl der Amplitude erhält man musikalisch sinnvolle Intervalle.
Beispiele:
LFOA | Intervall |
46 | kleine Terz |
61 | große Terz |
76 | Quarte |
104 | Quinte |
176 | Oktave |
9. Abspeichern
Man sollte nicht versäumen, die vielleicht mühevoll gefundenen Sounds abzuspeichern. Im Untermenü »Sounds« kann man bis zu 24 Sounds ablegen und mit Namen versehen. Im Untermenü »Disk« kann man dann eine solche Sound-Bank abspeichern. Um einen Sound von einer Bank in eine andere zu übertragen, lädt man zuerst die Quell-Bank, wählt den gewünschten Sound an und wählt dann die Ziel-Bank. Durch diesen Vorgang geht der angewählte Sound nicht verloren und kann dann in der Ziel-Bank abgelegt werden.

Beispielsounds
Die folgenden zehn Beispiele sollen einen Einblick geben, welche Klänge man dem SID entlocken kann. Die Parametersätze sind in einer Form abgedruckt, die an die Erscheinungsweise in den einzelnen Untermenüs angelehnt ist. Bei den Parametergruppen SCHALTER und MODUS im Filter-Menü bedeuten Sternchen, daß das entsprechende Bit aktiviert ist (reverse Darstellung auf dem Bildschirm).
Beispiel 1: MOLL WEIT
Eine relativ einfache Einstellung, bei der alle drei Stimmen in einem Moll-Akkord zusammenklingen. »Weit« bedeutet, daß die Einzeltöne nicht innerhalb einer Oktave liegen. Die Hüllkurven unterscheiden sich in ihren Decay- und Release-Werten. Dadurch klingt der tiefste Ton am längsten nach. Ein ganz leichtes Vibrato (LFOA = 1) durch LFO 0 verleiht dem Klang Leben. Man erhöhe einmal die Grundfrequenz von Stimme 2 von D# auf E4, um einen Dur-Akkord zu erhalten.
Beispiel 2: STRINGS
Dieser Sound klingt durch reichhaltigen Modulationseinsatz sehr voll, fast orchestral (im Rahmen der SID-Qualität). Es wurde dreimal die Rechteckkurve gewählt, die durch PW-Modulation räumliche Fülle erhält. Die lange Attack-Zeit (A = 5) in der Hüllkurve von Stimme 2 bewirkt ein verzögertes Einsetzen. Wenn man bei dieser Einstellung staccato (das heißt abgehackt) spielt, bleibt Stimme 2 fast unhörbar. LFO 0 und 1 sorgen für Vibrato (Frequenzmodulation). LFO 0 moduliert Stimme 1, LFO 1 Stimme 2. Stimme 3 wird von beiden LFOs moduliert. Dabei überlagern sich die Kurvenformen der beiden LFOs und bilden eine Schwebung, die sich im Auf- und Abschwellen des Vibrators in Stimme 3 (fast aufdringlich) bemerkbar macht. Dieser Effekt soll an eine Solo-Violine im Orchester erinnern. Die LFOs 2 und 3 sorgen durch PW-Modulation für noch mehr Klangfülle.
Beispiel 3: KLICK-WAH
Eine Kombination zweier Effekte. Die auf einen hohen Grundton eingestellte Stimme 2 sorgt durch einen schnellen Attack-Decay-Hüllkurvenverlauf (mit Sustain = 0) für den Klick-Effekt. Stimme 1 wird durch einen Tiefpaß mit großer Resonanz (RES = 14) geschickt. Der Soft-EG steuert über die Filterfrequenz das Öffnen und Schließen des Filters. Bei der angegebenen Parametrisierung wird das Resultat lautmalerisch besser durch »au« als durch »wah« beschrieben. Man sollte hier unbedingt einmal mit der Einstellung des Soft-EG experimentieren. Durch Verlängerung der Attack-Zeit erhält man ein »wahhau«, durch Spiegelung der Hüllkurve (FORM = -) kann man ein »auahh« erzielen. Bei diesen Versuchen sollte man auch hin und wieder die Filterfrequenz variieren.
Beispiel 4: SIRENE
Hier wird die Wirkung einer starken Frequenzmodulation demonstriert. Die Frequenzen der drei Stimmen sind so eingestellt, daß sie einen »schräg« klingenden Akkord bilden. Alle drei Stimmen werden gleichermaßen langsam und tief von LFO 0 moduliert. Hier sollte man einmal unterschiedliche LFO-Kurvenformen und LFO-Frequenzen ausprobieren. Die Zuschaltung von LFO 1 (MODUS auf RUN setzen) bewirkt durch Überlagerung einer schwächeren aber schnellen Modulation einen dramatischen Effekt.
Beispiel 5: STURM
Alle drei Stimmen erzeugen Rauschen. Die Stimmen werden wie bei der Sirene langsam und tief moduliert, allerdings jede durch einen eigenen LFO. Da die LFOs in ihrer Frequenz unterschiedlich eingestellt sind, erhalten die drei Rauschquellen unabhängig voneinander Lebendigkeit. Darüber hinaus sorgt das eigens durch LFO 0 modulierte Filter für klangliche Abwechslung. Das Filter ist hier übrigens als sogenannte Bandsperre geschaltet (LP und HP aktiv).
Beispiel 6: RADIO
Dieser Effekt soll an das Pfeifen erinnern, das beim Durchstimmen eines Kurzwellenempfängers entsteht. Des weiteren ist ein Funkfernschreib-Signal zu hören (schnelle Folge hoher Töne). Das Durchstimm-Geräusch liefert Stimme 3, die durch Stimme 2 ringmoduliert wird. Stimme 2 ist selbst nicht hörbar, beeinflußt aber wesentlich den Klang von Stimme 3. Beide Stimmen werden sehr langsam und mit unterschiedlicher Frequenz moduliert. Die LFOs 0 und 3 erzeugen dagegen schnelle Rechtecksignale, die, zu einer Treppenkurve überlagert, Stimme 1 zu einer schnellen Folge hoher Töne anregen.
Beispiel 7: SEQUENCER
Ein Sequencer ist ein Gerät, das eine vorprogrammierte Tonfolge wiederholt abspielt. Durch Modulation mit Treppenkurven kann man sequencerartige Effekte erreichen. Treppenkurven erhält man durch Überlagerung von Rechteck- und Sägezahnkurven. Die Skizze (Bild 1) gibt Beispiele dafür. Wenn man Sägezahnkurven einsetzt, muß man ein besonderes Augenmerk auf die Amplitudenverhältnisse richten, damit die Treppenstufen »gerade« bleiben.

Das vorliegende Beispiel klingt am besten, wenn man zunächst die Grundeinstellung anwählt und dann den vorher abgespeicherten Parametersatz. Dadurch werden zunächst alle LFOs in den RESET-Zustand versetzt und anschließend synchron gestartet. Sie laufen dann mit einer wohldefinierten Phasenbeziehung zueinander ab.
Beispiel 8: GEJAMMER
Hier moduliert der Soft-EG die Frequenz aller drei Stimmen. Jeder Tastendruck erzeugt dadurch ein Aufheulen, das an Katzengejammer erinnert. Der Effekt wird noch dadurch verstärkt, daß der Soft-EG auch das Filter und die Lautstärke moduliert. Eine weitere Frequenzmodulation durch zwei LFOs verleiht dem Ton nach der Decay-Phase des Soft-EG einen zusätzlichen klagenden Charakter.
Beispiel 9: MIKROCHIP
5 LFOs erzeugen durch Überlagerung Treppenkurven mit quasi-zufälligem Verlauf. Die dadurch schnell und tief modulierten Stimmen werden noch zusätzlich gegenseitig ringmoduliert. Dadurch bekommt der Gesamtklang einen metallischen Charakter. Am besten klingt diese Einstellung bei hohen Tönen.
Beispiel 10: BULLDOZER
Hier werden Motorengeräusche simuliert. Stimme 3 erzeugt ein Brummen als Grundlage. Stimme 2 erzeugt über das Filter Rauschen. Das Filter wird in schneller Folge durch LFO 0 moduliert. Dadurch wird aus dem Rauschen das Stampfen eines schweren Dieselmotors. LFO 2 moduliert ebenfalls das Filter, allerdings mit sehr niedriger Frequenz. Dadurch ändert das Diesel-Stampfen periodisch seinen Klang. Am interessantesten ist aber Stimme 1. Sie erzeugt bereits ohne Modulation ein Geräusch, das an eine schwere, trockengelaufene Stahlkette erinnert. Der Effekt kommt durch die Kombination zweier Kurvenformen (Rechteck und Dreieck) bei niedriger Oszillatorfrequenz zustande. Eine Modulation durch LFO 1 läßt die Kette allerdings noch realistischer rasseln. Drückt man die SPACE-Taste, so werden die Frequenzen von Stimme 3 (Grundgeräusch) durch den Soft-EG heruntermoduliert. Man kann sich dabei vorstellen, wie sich die schwere Maschine ächzend ins Erdreich wühlt.
(Thomas Krätzig/ev)