Der erste Kontakt mit DFÜ
Daten durch das Telefon zu schicken, ist einfacher als man denkt. Ein Neuling in Sachen DFÜ schildert seine Erfahrungen.

Viele Mailboxen setzen Wissen voraus, das derjenige, der beabsichtigt, sich mit der Datenfernübertragung zu beschäftigen, in der Regel nicht hat. Hinzu kommen noch Anleitungen für Hard- und Software, die ebenfalls etwas Neues darstellen. Jeder kennt das Problem: Alles ist richtig angeschlossen, aber nichts funktioniert. Der Grund ist, daß neue Programme unzureichend bekannt sind.
Der erste Kontakt mit einer Mailbox
Deshalb las ich mir die Anleitung zum Terminalprogramm genau durch und notierte mir die CTRL-Sequenzen, die für die Kommunikation mit einer Mailbox wichtig sind. Bevor das Terminalprogramm geladen werden konnte, mußte ich den C 64 hardwaremäßig für die Datenfernübertragung vorbereiten, indem ich ihn über em RS232-Interface am User-Port mit dem Akustikkoppler verband, der laut Anleitung auf »originate« einzustellen ist. Es war mir nicht möglich, eine Erklärung für das Wort »originate« zu finden. In dem Handbuch zum Terminalprogramm (Terminal 64) stand nur folgendes:
»In der Betriebsart »Vollduplex« verwenden Sender und Empfänger unterschiedliche Bereiche (Originate/Answer). Für den Benutzer ist hier nur wichtig zu wissen, daß sein Modem jeweils entgegengesetzt der Einstellung seines Verbindungspartners sein muß.« Zitat Ende.
Nach dem Laden und Starten des Terminalprogramms erschien dessen Hauptmenü auf dem Bildschirm. Im Untermenü »Parameter einstellen« überzeugte ich mich davon, daß die Parameter mit denen des Handbuches übereinstimmten. Das heißt:
- Baudrate: 300 (300 Bit/Sekunde)
- Anzahl der Daten-Bits: 7
- Übertragungsmodus: Vollduplex
Vollduplex bedeutet: Alle über die Tastatur eingegebenen Zeichen werden nicht unmittelbar, wie üblich auf dem Bildschirm dargestellt, sondern über den Akustikkoppler an die Mailbox gesendet, die dann ihrerseits jedes Zeichen wieder zurückschickt. Erst die zurückgeschickten Zeichen erscheinen auf dem Bildschirm. Dadurch kann der Sender kontrollieren, ob die gesendeten Zeichen richtig beim Empfänger angekommen sind.
- Parität: keine
Das Paritäts-Bit entfällt. Wenn Parität auf gerade gestellt wird, werden alle Bits, die auf Eins stehen, addiert. Ist die Summe gerade, wird das Paritäts-Bit auf Null gesetzt, so daß die Quersumme des Datenwortes plus Paritäts-Bit immer eine gerade Zahl liefert.
Wird dem Empfänger eine ungerade Zahl angeboten, so schließt er daraus, daß die Übertragung fehlerhaft war.
- Stop-Bit: 1
Jedem Datenwort wird ein Bit als Anhängsel angefügt, um Sender und Empfänger zu synchronisieren. Fehlt das Stop-Bit, so kann das Ende und der Anfang eines Datenwortes nicht erkannt werden.
Nachdem das Terminalprogramm geladen und die Parameter richtig eingestellt waren, stand dem ersten Datentransfer nichts mehr im Weg. Durch die Tastenkombination CTRL-← kam ich wieder zurück ins Hauptmenü und wählte durch das Untermenü »online« den Sende- und Empfangsbetrieb. Der Bildschirm wurde bis auf eine Informationszeile, in der Angaben über den momentanen Betriebszustand stehen, gelöscht. Weiter war nichts zu sehen. Auch der vertraute blinkende Cursor war verschwunden. Voller Zuversicht wählte ich die erste Mailboxnummer. Im Telefon war nur das Besetztzeichen zu hören. Ich wählte die nächste Mailboxnummer. Wieder war besetzt. Dieses wiederholte sich etwa 10 Minuten lang, bis ich bei einer Mailbox durchkam. Daß ich mit einer Mailbox verbunden war, erkannte ich daran, daß im Telefon ein langanhaltender Piepton zu hören war. Schnell legte ich den Hörer in die dafür vorgesehenen Gummimuffen des Akustikkopplers. Kaum war das geschehen, da rasten die ersten Zeichen mit einer Geschwindigkeit von 300 Baud über den Bildschirm. Nur mit Mühe konnte ich den an mir vorbeiflitzenden Text lesen, der Informationen über die Benutzeranweisungen der Mailbox enthielt. Ich versuchte mir diese Informationen zu notieren, mußte jedoch schnell feststellen, daß es unmöglich ist, bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 300 Baud (Bit pro Sekunde) mitzuschreiben. Um die Benutzerhinweise nicht zu verpassen, machte ich von der Möglichkeit Gebrauch, den Datentransfer mit der Taste CTRL-S anzuhalten, notierte mir das, was mich interessierte und nahm den Datentransfer mit der Taste CTRL-Q wieder auf. Nachdem die Benutzeranweisungen an mir vorbeigerauscht waren, erwartete die Mailbox die Eingabe einer Benutzernummer, über die ich als Anfänger nicht verfügte. Ich versuchte es mit dem Wort »gast«. Als Gast war es mir im Gegensatz zu einem Anwender mit Benutzernummer, also einem eingetragenem Benutzer, nicht immer möglich, über die im System gespeicherten Programme zu verfügen. Auch ist der eingetragene Benutzer in der Lage Informationen abzurufen, die nur für ihn bestimmt sind. Ich tippte also das Wort »gast« ein. Kaum war es eingegeben, da ging die Post ab und das Hauptmenü der Mailbox erschien auf dem Bildschirm, was nicht immer der Fall ist. Häufig muß man, um ins Hauptmenü zu gelangen, RETURN, HELP, oder ein Fragezeichen eingeben. Ich wurde aufgefordert eines der zahlreichen Untermenüs anzuwählen und entschied mich für den Programm-Service, gab die entsprechende Zahl ein und sollte aus einigen aufgeführten Terminalprogrammen mein eigenes angeben. Leider war mein Programm nicht dabei. Da mich aber gerade der Programm-Service interessierte, gab ich ein anderes Terminalprogramm an. Der Erfolg war, daß mein Computer nichts mehr von sich gab. Ich versuchte die Verbindung ordnungsgemäß mit der Taste CTRL-X abzubrechen. Aber es passierte nichts. Auch der Versuch mit der Tastenkombination CTRL-←, mit der man bei vielen Ter-
Lassen sich Mailboxen überlisten?
minalprogrammen zurück ins Hauptmenü gelangt, scheiterte. Offenbar war der C 64 abgestürzt. Ich war gezwungen, die Verbindung mit Gewalt abzubrechen, indem ich den Hörer auflegte, den Computer ausschaltete und das Terminalprogramm neu lud. Die weiteren Versuche, eine Mailbox anzurufen, verliefen mehr oder weniger erfolgreich.
Hin und wieder kam es vor, daß Mailboxnummern, die aus einer Mailbox stammten, Privatanschlüsse waren. Deshalb sind diese Telefonnummern mit Vorsicht zu genießen. Es ist für die Betroffenen nun einmal sehr unangenehm, mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt zu werden.
Lehrreiche Erfahrungen
Die Praxis hat gezeigt, daß sich Mailboxen nach dem ersten Freizeichen melden. Wenn die Leitung frei ist und die Mailbox meldet sich nicht nach dem ersten Freizeichen, handelt es sich entweder um eine Box die nur zeitweise betrieben wird oder man hat einen Privatanschluß vor sich.
Die meisten Terminalprogramme haben einen Modus, mit dem sich die empfangenen Daten auf Diskette abspeichern lassen. Leider verfügt nicht jede Mailbox über diese dem Anfänger sicherlich zu empfehlende Einrichtung.
Der Grund dafür ist, daß der C 64 die ankommenden Daten bis zu einer Länge von 5 KByte speichert und sie dann als Block auf Diskette schreibt. Während dieses Schreibvorgangs können keine Daten empfangen oder gesendet werden. Dieser Zustand wird der Mailbox über ein Stoppzeichen mitgeteilt. Einige Boxen können dieses Stopp-Zeichen nicht interpretieren und ignorieren es.
Daher kann es leicht passieren, daß der sogenannte Timeout erreicht wird, eine Zeitspanne, die bei den meisten Mailboxen zwischen 30 Sekunden und einer Minute liegt. Ist diese Zeitspanne überschritten, bricht die Mailbox die Verbindung ab, da sie annimmt, daß der Kommunikationspartner aufgelegt hat.
Ist eine bestimmte Mailbox besser bekannt, bietet sich eine Möglichkeit an, Gebühren zu sparen. Mit der Tastenkombination CTRL-C können bei einigen Mailboxen Systembeschreibungen und Menüunterpunkte übersprungen oder abgebrochen werden.
Auch beim Schreiben in die Mailbox (Briefkasten) kann man viel Zeit und Geld sparen, indem man nicht im Online-Modus (Sende-/Empfangsbetrieb) Texte eintippt, sondern den Editor des Terminalprogramms benutzt. Er gleicht von seiner Bedienung her einem Textverarbeitungsprogramm. Die fertigen Texte werden auf Diskette abgespeichert und können im Online-Modus direkt von der Diskette in die Mailbox geschrieben werden.
Jedes Terminalprogramm verfügt über die Möglichkeit, die Funktionstasten mit Texten zu belegen. Hier können zum Beispiel häufig benötigte Benutzernummern oder Adressen abgelegt werden.
Tauchen während einer Verbindung mit einer Mailbox Schwierigkeiten und Probleme auf oder werden Mängel an der Mailbox festgestellt, bieten die meisten Mailboxen ein Untermenü an, mit dem man sich direkt über den Computer mit dem Systemoperator in Verbindung setzen kann. Der Systemoperator ist derjenige, der für die Mailbox verantwortlich ist. Kann man ihn nicht direkt erreichen, besteht die Möglichkeit, ihm in einer Art Briefkasten Nachrichten zu hinterlassen. Auch Anfänger sollten nicht davor zurückschrecken, sich bei auftretenden Problemen an den Systemoperator zu wenden. Denn nur durch solche Nachrichten und Informationen kann man erreichen, daß die Mailboxen, die sich bis jetzt noch im Versuchsstadium befinden, oder für Anfänger (und auch für Profis) »Stolpersteine« darstellen, sprich über eine unklare Benutzerführung verfügen, verbessert und optimiert werden. Es gibt sogar Mailboxen, die erst nach der richtigen Beantwortung grundlegender Fragen zur Mailboxbenutzung den Zugang zur eigentlichen Mailbox erlauben.
Datenfernübertragung ohne Mailbox
Jeder der über einen Computer mit RS232-Interface und Akustikkoppler verfügt, kann per Telefon mit anderen Computern ähnlicher Gerätekonfiguration über eine geeignete Treibersoftware (Terminalprogramme) kommunizieren. Dazu ist einer der Akustikkoppler auf »originate«, der andere auf »answer« einzustellen. Es spielt dabei keine Rolle, welcher von beiden auf »answer« und welcher auf »originate« steht. Der Akustikkoppler, der auf »answer« eingestellt ist, sendet nach Zustandekommen einer Verbindung einen Ton. Der Akustikkoppler, der auf »originate« eingestellt ist, antwortet mit einer Folge von Impulsen, die Informationen über die Parametereinstellungen enthalten. Dadurch ist zum Beispiel eine Mailbox in der Lage, sich an die Parametereinstellung (Baudrate, Parity, Stop-Bit etc.) eines Akustikkopplers anzupassen. Zwei miteinander kommunizierende Computer können dies nicht, da Terminalprogramme die Folge von Impulsen, die Informationen über die Parametereinstellungen enthalten, nicht auswerten. Deshalb ist, wenn zwei Computer miteinander verbunden sind, besonders darauf zu achten, daß die Parameter übereinstimmen. Sonst kann es leicht passieren, daß plötzlich wirre, zusammenhanglose Zeichen auf dem Bildschirm erscheinen. Es ist dann aber nicht erforderlich, den Computer auszuschalten, oder die Verbindung abzubrechen. Denn während man sich im Online-Modus befindet, kann man bei vielen Terminalprogrammen mit der Tastenkombination CTRL—← ins Hauptmenü gelangen, von dort das Menü »Parametereinstellen« anwählen, die Parameter ändern und dann in umgekehrter Reihenfolge wieder in den Online-Modus gelangen. Wenn zwei Computer über das Telefon miteinander verbunden sind, bietet es sich natürlich auch an, Programme oder Listings auszutauschen. Um diesen Datentransfer zeitlich zu verkürzen, sollte versucht werden, den Austausch mit einer höheren Baudrate abzuwickeln. Bei 1200 Baud ist laut Aussage von Experten eine fehlerfreie Übertragung noch gewährleistet, vorausgesetzt, die Verbindung ist einwandfrei oder der Kommunikationspartner ist nicht allzuweit entfernt. Während man zum Beispiel für ein 30 KByte langes Programm bei 300 Baud etwa 18 Minuten benötigt, verkürzt sich die Übertragungszeit bei 1200 Baud auf etwa 4,5 Minuten.
Die Datenfernübertragung befindet sich heutzutage noch im Anfangsstadium. Sicherlich hat sie in Zukunft einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und auch ihren Nutzen sowohl im privaten als auch im kommerziellen Bereich. Aber schon heute ist der Entwicklungsstand der Mailboxen so weit fortgeschritten, daß es Spaß macht mit ihnen zu arbeiten. Jeder der über die entsprechende Soft- und Hardware verfügt, kann dort reichlich Informationen abrufen und das häufig 24 Stunden am Tag. Das Angebot der Mailboxen reicht von Mailboxzeitungen bis hin zu fertigen Programmen. In sogenannten Briefkästen können Nachrichten geschrieben und von jedem abgerufen werden. Für den Computerfreak stellen sie eine reiche Fundgrube dar. Hier wird alles angeboten, was in irgendeiner Form etwas mit dem Computer zu tun hat. Mich als Anfänger hat dieses Medium von Anfang an fasziniert.
(ah)