SX 64 im Test
Mobilität ist eine Zauberformel, die unser Leben im letzten Jahrzehnt entscheidend beeinflußt hat. Transistorradio, tragbare Stereoanlage, Fernseher, Mobil-Home, wen wundert's, wenn auch die Computerindustrie, vom Portablefieber erfaßt, mehr und mehr »tragbare« Mini-, Home- und Personal Computer auf den Markt bringt. Vielleicht gehören in naher Zukunft mit Portables bewaffnete »Hacker« am Badestrand unter dem Sonnenschirm genauso zum Strandalltag wie heute Familienväter im Kampf mit dem Gummiboot.
Seitdem 1980 Adam Osborne seinen ebenso viel geschmähten wie hochgelobten Osborne 1 vorstellte und damit die Portable-Lawine ins Rollen kam, erschienen zirka 80 bis 100 »Tragbare« auf dem amerikanischen Markt. In immer neuen Variationen versuchten findige Ingenieure, mehr oder wenig erfolgreich, möglichst viel Hardware auf immer kleinerem Raum und mit immer weniger Gewicht unterzubringen. Auf der Hannovermesse '83 stellte Commodore erstmals seinen lange angekündigten und mit viel Spannung erwarteten Koffercomputer vor, den Commodore Executive als SX 64 mit Single-Floppy beziehungsweise DX 64 mit Double-Floppy ausgestattet. Auffallend: der eingebaute Farbmonitor. Wäre nicht das Commodore-Firmenemblem untrüglicher Beweis für die Herkunft des Gerätes, hätte ich vom äußeren Erscheinungsbild her nie auf Commodore getippt. Kein Cremeweiß, keine weichen Rundungen. Nein, stahlgrau, eckig, mit blauem Zierstreifen und modernem Design, so präsentiert sich der SX 64 äußerlich (Bild 1).
Nimmt man den Deckel ab, in dem die Tastatur (Bild 2) untergebracht ist, kommen links der 5-Zoll-Farbmonitor und rechts das querliegende Diskettenlaufwerk (5¼ Zoll a 170 KByte, identisch mit der VC 1541) sowie ein Diskettenablagefach (an dieser Stelle befindet sich beim DX 64 das zweite Laufwerk) zum Vorschein. Rechts daneben eine schmale Klapptüre mit dem Reset-Knopf und sieben Einstellreglern (Bild 3). Hiermit können Lautstärke, Kontrast, Helligkeit, Farbsättigung, Rot-Grünbalance sowie der Bildfang eingestellt werden. Die Einstellung ist stabil, und auch nach mehrmaligem Ein-und Ausschalten des Gerätes mußte ich keine Neueinstellung an den Reglern vornehmen. Gott sei Dank, denn die relativ wackeligen Drehregler konnten mich nicht davon überzeugen, ewig halten zu wollen. Die Module kommen oben in den Steckschacht. Ungeheure Stabilität hingegen strahlt der monströse Tragegriff aus, der gleichzeitig auch als Standfuß dient. Hier versuchte man, so scheint mir, das wettzumachen, was bei der Konstruktion des Computer- und Tastaturgehäuses etwas vernachlässigt wurde, die mechanische Stabilität, die bei einem transportablen Computer sicher eine entscheidende Rolle spielt. So klobig der Griff auch optisch wirkt, so gut liegt er beim Transport in der Hand und läßt zumindest die ersten Kilometer Fußmarsch mit dem SX 64 zu einem Kinderspiel werden. Spätestens nach zehn Minuten jedoch beginnen langsam die Armgelenke zu schmerzen. Man merkt das Gewicht von 10 kg und erkennt, daß sich die Portabilität des SX 64 höchstens auf die Strecken Wohnzimmer — Arbeitsraum oder Wohnung — Garage beschränken wird, soll nicht ein Hanteltraining unumgänglicher Bestandteil des Tagesablaufs werden.
Der große Vorteil des »alles in einem Gehäuse-Gerätes« scheint mir deshalb weniger in der Transportmöglichkeit über längere Strecken zu liegen als in der Tatsache, daß er schnell und ohne Kabelgewirr (das Netzteil ist selbstverständlich eingebaut) betriebsbereit und nach der täglichen Arbeit auch genauso schnell wieder verstaut ist. Mit 5 Zoll Bildschirmdiagonale (13 cm) gestaltet sich die Arbeit jedoch nicht immer zum Vergnügen. Gegen die Farbqualität des Monitors (Bild 4) läßt sich nichts sagen, sie ist hervorragend; ein O von einer Null beziehungsweise die von einer 8 zu unterscheiden, erfordert jedoch viel Einfühlungsvermögen (vergleiche Bild 5). Hier hilft selbst die Brille wenig. Sicher, für die Größe, ser Winzigkeit des Monitors ist die Auflösung ausgezeichnet, aber in diesem Falle wären ein größeres Gehäuse und ein größerer Monitor die bessere Lösung gewesen.
Wer auf dem SX 64 Texte verarbeiten möchte, sollte schon jetzt einen Zusatzmonitor in »Normalgröße« auf den nächsten Weihnachtswunschzettel schreiben, ein Monitoranschluß ist in der Rückseite vorhanden. So entgeht man auch der Gefahr, sich mitten im schönsten Spiel zu zweit vor dem Bildschirm eine Beule am Kopf zu holen bei dem beidseitigen Versuch, noch näher mit den Augen an den Ort des Geschehens zu kommen. Kurz und gut, besten Gewissens kann ich den eingebauten Monitor nur als Kontrollmonitor empfehlen.
Großes Lob verdienen die 66 Tasten in QWERTY-Anordnung. Die Tastatur stellt gleichzeitig den Deckel des Computers dar. Abgeklappt kann sie, freibeweglich und nur mit einem Verbindungskabel von zirka 50 cm Länge mit dem Gehäuse verbunden, bedient werden. Mit 3 cm Bauhöhe kann man sie im Vergleich zur 8032 SK-Tastatur getrost als für Commodore-Verhältnisse superflach bezeichnen. Commodore vermied Experimente und übernahm das Konzept des vielfach bewährten und beliebten C 64 fast vollständig in den SX 64. Bis auf die ergonomisch bessere Formgebung mit schöner gerundeten Tasten unterscheidet sich die Tastatur weder in Belegung noch Anzahl der Tasten von der des Commodore 64. Das Verbindungskabel Computer/Tastatur erscheint sehr robust. Etwas unpraktisch: Die Steckbuchse an der Unterseite des Tragbaren, die den Kabelstecker aufnimmt, ist in einem Schacht verborgen und dadurch etwas schwer zugänglich. Sehr instabil erscheinen mir die Plastik-Schnappvorrichtungen am Tastaturgehäuse, mit denen dieses am Gehäuse befestigt wird. Sie verklemmten sich bei meinem Gerät nach einem Transport prompt und ich stand alle Ängste aus, die Tastatur nur mit Bruch wieder vom Gehäuse loszubringen.
Auf der Oberseite des Gehäuses ist ein durch Federklappen geschützter Expansionport, das heißt, ein Steckplatz für Module, zum Beispiel das IEEE-488-Interface, Spiele und so weiter. In diesen Steckplatz passen alle für den C 64 bestimmten Module. Über das IEEE-488-Interface ist die gesamte Peripherie der 4000er und 8000er Systeme anschließbar. Ein neues Steckmodul, das in diesen Tagen erhältlich sein soll, und austauschbare Tastenkuppen ermöglichen die Umrüstung der 64-Tastatur auf den deutschen Zeichensatz.
Auf der Rückseite des Gehäuses befinden sich die Peripherieanschlüsse (Bild 6):
- Die DIN-Buchse für den Audio- und Videoausgang.
- Ein serieller Bus zum Anschluß für das Diskettenlaufwerk VC 1541 und/oder Drucker 1525, MPS 801, VC 1526 beziehungsweise den Plotter VC 1520.
- Der Userport als frei programmierbare 8-Bit-parallel-Schnittstelle. Durch entsprechende Programmierung als RS232-Schnittstelle verwendbar.
- Zwei Anschlüsse für Joysticks.
Im Inneren des Computers befindet sich die modifizierte Rechnerplatine des C 64, aufgeteilt auf zwei Platinen, sowie die modifizierte Platine der Floppy VC 1541 und ein 8-cm-Lautsprecher, der befriedigende Klangergebnisse erzielt. Die im Gehäuseinneren erzeugte Wärme wird über die Lüftungsschlitze genügend abgeleitet, auch nach einem Dauerbetriebstest von 48 Stunden erwärmte sich der SX 64 nur unwesentlich.
Genau wie der C 64 arbeitet auch der SX 64 mit der 8-Bit-MOS-CPU 6510 aus der Familie 65xx, bei einem Systemtakt von 985248 kHz. Der Speicher verfügt über 64 KByte RAM, wovon in Basic 38 KByte für Programm und Variablen verfügbar sind. 52 KByte können hiervon für den Einsatz von Maschinensprache oder ladbaren Programmiersprachen genutzt werden. In 20 KByte ROM sind das Betriebssystem, der Basic-Interpreter und die I/O-Routinen untergebracht. Da der 6510 als 8-Bit-Prozessor selbst nur einen Adreßraum von 64 KByte verwalten kann, der vom RAM selbst belegt ist, bestand das Kunststück darin, mittels zusätzlicher Logik eine sinnvolle Verwaltung der sich teilweise überlappenden Speicherbereiche auszuklügeln. Hier kam Commodore der glückliche Umstand zugute, über eine eigene Halbleiterfabrikation, nämlich der Tochterfirma MOS zu verfügen. Ein speziell entwickeltes »Adress Manager IC« (FPLA, Field programmable Logic Array) übernimmt diese komplizierte Aufgabe. Auch der Prozessor selbst sowie das Sound-IC, das SID 6581 (ebenfalls ein Peripherie-Baustein der 65xx-Familie) sowie der Videocontroller VIC, der Schlüssel zur hochauflösenden Grafik, gehen auf das Konto der MOS-Entwicklungsingenieure.
Der SX 64 benutzt genau wie der C 64 das Commodore-Basic V 2.0 und ist maschinensprachekompatibel zum 6502. Es können jedoch auch andere Programmiersprachen wie zum Beispiel Pascal, Comal, Pilot, Assembler und Logo geladen werden. Das Basic--ROM wird dann abgeschaltet, und es stehen 20 KByte für die Programmiersprache und den Arbeitsspeicher zur Verfügung.
Das Basic des SX 64 ist identisch mit dem des C 64. Da das V 2.0-Basic in der Literatur bereits zur Genüge abgehandelt wurde, möchte ich an dieser Stelle nicht mehr näher darauf eingehen.
SX 64-Einsteiger brauchen sich über ein mangelndes Angebot an Software keine Gedanken machen, der C 64 hat hier Basisarbeit geleistet. Auch Literatur existiert mittlerweile in Hülle und Fülle. Ohne diese kommt der ernsthafte SX 64-User sowieso nicht aus. Das Bedienungshandbuch ist im Vergleich zum C 64-Handbuch zwar sehr ausführlich, doch viele wichtige Dinge bleiben auch hier wieder unerwähnt oder werden nur dürftig am Rande behandelt. Unverständlicherweise gerade die Bereiche, die den SX 64 interessant machen, nämlich die Erzeugung von Sprites sowie die Möglichkeiten der hochauflösenden Grafik und der Klangerzeugung mit dem SID 6581. Vergebens suchte ich im englischen Handbuch, das mir vorlag, nach dem Befehl, der in den hochauflösenden Grafik-Mode führt. Auch die interessantesten Möglichkeiten des wirklich hervorragenden SID-Chips, nämlich Ringmodulation, Synchronisation und Filterung bleiben gänzlich unerwähnt.
Im hochauflösenden Grafikmodus können 64000 (320 x 200) einzelne Bildschirmpunkte (Pixels) angesprochen werden. Nach dem Einschalten durch POKE 53265,59 : POKE 53272,24 können die einzelnen Bildschirmpunkte mittels POKE x,y gesetzt und mittels POKE x,0 wieder gelöscht werden. Jeder Adresse entspricht hierbei eine Zeile von acht Bildschirmpunkten.
Je nachdem, welche Punkte nun gesetzt werden sollen, setzt man den zugehörigen n-Wert in nachfolgender Formel gleich Null und bildet die Summe.
Formel: y=n^7 + n^6 + n^5 + n^4 + n^3 + n^2 + n^1 + n^0 wobei nun der Summenwert y den zu pokenden Wert darstellt. Ein kleines Beispiel soll dies verdeutlichen (Bild 7):
Diese drei Punkte lassen sich mittels POKE 819, 128+16+8, also POKE 8192,152 setzen. So einfach ist das also. Im Blockgrafik-Modus stellt der Bildschirmspeicher (Adressen 1024 bis 2023) 25 Zeilen und 40 Spalten in einer 8 x 8-Punktematrix zur Verfügung.
Für Farbe im tristen Alltag sorgt der Farbspeicher ebenfalls mit 1000 Bildpunkten (Adressen 55296 bis 56295). An Farben stehen Schwarz, Weiß, Rot, Türkis, Violett, Grün, Blau, Gelb, Orange, Braun, Hellrot, drei verschiedene Grauwerte, Hellgrün und Hellgrau zur Auswahl (Bild 8). Die tausend Farbpunkte stellen den inneren Bildschirmbereich dar. Darüber hinaus existiert noch ein zweiter Bildschirmbereich, der Rahmen, der unabhängig vom inneren Bereich mit denselben 15 Farben eingefärbt werden kann.
Bewegung ins Bild bringen die vom Benutzer frei definierbaren Sprites, Figuren in hochauflösender Grafik, maximal 24 x 21 Punkte groß, die über POKE-Befehle erstellt werden. Maximal acht Sprites dürfen gleichzeitig auf dem Bildschirm bewegt werden. Klänge in den Raum posaunt der SX 64 mit Hilfe des SID 6581, eines kompletten dreistimmigen Synthesizers mit drei Wellenformen (Dreieck, Sägezahn und Pulswelle) je Stimme. Drei Hüllkurvengeneratoren regeln für jede Stimme einen separaten Lautstärkeverlauf der Töne. Rauschgenerator, Filter, Ringmodulator, das, wovon manch großer Synthesizer träumt, ist vorhanden. So verwundert es nicht, daß in jüngster Zeit immer mehr Musiksoftware angeboten wird, die den C 64 beziehungsweise SX 64 in ein »Musikinstrument« mit vielfältigen Möglichkeiten verwandeln.
Fazit
Interessant ist der SX 64 für alle, die viel unterwegs sind und ohne Computer nicht auskommen wollen oder aber ihren Computer auch zu Hause oft auf- und abbauen müssen. Leider besitzt der SX 64 keinen Akkuanschluß, so daß er eigentlich kein Portable im wahrsten Sinne des Wortes ist. Die Schwachstelle am Ganzen: der Bildschirm. Eine Nummer größer wäre in diesem Falle sicher besser gewesen, dafür hätte wohl jeder ein etwas größeres Gehäuse in Kauf genommen. Besonderes Lob verdienen die Tastatur, die ein ermüdungsfreies Arbeiten auch über einen längeren Zeitraum ermöglicht, und das ansprechende Design des Gehäuses. Ein weiteres großes Plus: die völlige Kompatibilität zum C 64 (die Programmodule werden oben eingesteckt; siehe Bild 9) sowie die Möglichkeit, nach Einbau der CP/M-Karte auf das große Angebot an CP/M-Software zurückgreifen können, auch wenn bisher nur wenige Programme, die unter CP/M laufen, auf das Commodore-Diskettenformat umgeschrieben wurden.
(Richard Aicher/aa)