Commodore-Sportservice — Heimcomputer zur Turnierauswertung

Eine handvoll Unternehmen hat sich auf das Auswerten von Sportveranstaltungen spezialisiert. So auch der Commodore-Sportservice, der bei Veranstaltungen von Rang und Namen zu finden ist. Diesmal war er beim Berliner Springreiten, bei dem Conrad Homfeld den World Cup mit nach Hause nahm.

Hier laufen die Signale der Schriftgeneratoren zusammen. Auf dem linken Monitor die Rangliste, auf dem rechten das World Cup-Logo. Das Bild auf dem mittleren Monitor bekommt der Ü-Wagen. Die Schrift wird mit dem »Blue Box-Trick« ins Fernsehbild eingeblendet.

Sie kennen bestimmt die Spielstand-Einblendungen bei Sportübertragungen am unteren Rand Ihres Fernsehers. Was dahinter steckt, ist ein sehr großer Aufwand an Elektronik. Aber keine Riesen-Computer, sondern viele Kleine machen die Arbeit. Durch die Verwendung von Mikrocomputern wird das System so flexibel, daß jedes anfallende Problem damit gemeistert werden kann. Es ist ein großer Unterschied zwischen einer Hallenveranstaltung und einem Skirennen, bei dem Minusgrade nicht nur den Computern zu schaffen machen und die Anlage auf Pistenraupen durchgeschüttelt wird. Ebenso wechseln die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Systems von Fall zu Fall.

Ein anderer Grund, der für ein System aus mehreren kleinen Computern spricht, ist die Fehlersuche. Denn ein großes System ist wesentlich servicefreundlicher, wenn es aus kleinen Einheiten zusammengesetzt ist. Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine große EDV-Anlage bei einer Veranstaltung im Keller stehen und nur Terminals am Richterturm. Nun fällt ein Bauteil aus. Die anschließende Fehlersuche wird sich dann als sehr schwierig erweisen, da der Fehler erst lokalisiert werden muß. Außerdem liegt während der Reparaturzeit das System lahm und die Veranstaltung müßte unterbrochen werden. Im Gegensatz dazu lassen sich Fehler in einem System, das aus mehreren kleinen Computern zusammengesetzt ist, sehr schnell beheben. Man sieht schnell, welcher Computer defekt ist und tauscht ihn einfach gegen einen neuen aus. Dadurch kann ein Fehler so schnell behoben werden, daß der Außenstehende vielleicht gar nichts davon merkt.

Das System des Commodore-Sportservice besteht aus:

Mit diesen Geräten hat der Commodore-Sportservice, kurz COSS genannt, seit 1982 über 100 nationale und internationale Sportveranstaltungen im europäischen Raum betreut und Veranstalter, Zuschauer, Presse und Fernsehen mit Informationen über den Wettkampf beliefert. Wenn beispielsweise Journalisten wissen möchten, wieviel ein Teilnehmer während des Wettkampfes schon an Prämien »kassiert« hat, können sie sich beim Sportservice jederzeit eine Gewinnliste holen.

Die SX 64-Computer werden vor allem bei Sportarten eingesetzt, die nach vielfältigen Kriterien beurteilt werden. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind die nordischen Skimeisterschaften, wo verschiedene Disziplinen gleichzeitig ausgetragen werden. Es müssen dort viele Ranglisten gleichzeitig geführt werden: Skispringen, Langlauf, Biathlon, etc. Jeder SX 64 hat dazu ein Programm, das eine bestimmte Auswertung übernimmt.

Den Commodore-Sportservice gibt es seit Januar 1981, wo sich das Team mit der Betreuung des FIS-Slaloms der Herren in Lermoos profilieren konnte. Die siebenköpfige Mannschaft besteht aus Programmierern und Elektronikern, die auch die gesamte Software und Interface-Hardware entwickelt haben. Bei großen Vorhaben wird das Team entsprechend verstärkt, so daß auch schon mal 15 Mann Kabel hinter Deckenverkleidungen verlegen.

Inzwischen hat man bei Commodore Erfahrung mit alpinen und nordischen Skimeisterschaften, im Kanu-, Rad-, Reit- und Rudersport, bei Schwimmveranstaltungen und im Turmspringen. Bisher war die Betreuung von Veranstaltungen immer ein Erfolg für den Veranstalter und den COSS. Auch die Fernsehanstalten stellen dem Commodore-Sportservice ein sehr gutes Zeugnis aus.

Es werden aber nicht nur Zeitauswertungen gemacht. Die Computer nehmen dem Veranstalter auch viel organisatorische Arbeit ab. Zum Beispiel bei der Erstellung der Melde- und Startlisten. Die Melde- und Startlisten von Hand nach Klassen zu ordnen und mit Schreibmaschine zu tippen, kostet manuell sehr viel mehr Zeit.

Besonders kompliziert wird der Vorgang, wenn ein Reiter mit mehreren Pferden an einem Wettbewerb teilnehmen möchte. Der Reiter kann nämlich selbst bestimmen, mit welchen Pferden in welcher Reihenfolge er springen will. Das Reglement schreibt aber vor, daß zwischen zwei Durchgängen eines Reiters mindestens sechs andere Teilnehmer auf dem Parcour gewesen sein müssen. Bestehen nur vier oder fünf Reiter auf die selbst festgelegte Startreihenfolge, kommt die Meldestelle ins »Rotieren«.

Die Startliste ist aber nicht nur der einzige »Zusatzservice«. Ist eine Prüfung beendet, kann sofort eine Liste mit den Zwischenergebnissen gedruckt, vervielfältigt und verteilt werden. Diese Liste zeigt zugleich die Startreihenfolge der nächsten Prüfung.

Mehrere Heimcomputer SX 64 übernehmen Auswertungen für das Infosystem. Zuschauer und Teilnehmer erfahren, was aktuell ist.

Bis zu 30 SX 64 in einem Informationssystem

Wie schon erwähnt, werden die SX 64 zum Erstellen von Punktelisten, Ranglisten, Startreihenfolgen verwandt, wenn eine große Informationsflut zu bewältigen ist. So liefert, etwa bei nordischen Skimeisterschaften, einer die augenblickliche Rangfolge im Sprunglauf, ein anderer die Langlaufergebnisse oder den Stand in der nordischen Kombination. Auch eine Aufstellung ausgeschiedener Teilnehmer der einzelnen Klassen kann erstellt werden.

Je nach Wichtigkeit wird der Videoausgang eines bestimmten SX 64 einem Videoverstärker (zur Ansteuerung von bis zu 50 Monitoren) zugeschaltet und das verstärkte Bild dem Infosystem zugeführt. Über dieses System werden Veranstalter, Teilnehmer und Zuschauer vom COSS mit aktuellen Informationen versorgt. Dazu werden, wo sich die Möglichkeit bietet, Farbmonitore aufgestellt. In Hallen oder in Korridoren (falls die Veranstaltung innerhalb eines Gebäudes stattfindet), in Sprecherkabinen von Rundfunkreportern und in Pressesälen. Über das Infosystem wird meist das momentane Geschehen mit einer aktuellen Auswertung gezeigt.

Über ein selbstentwickeltes Interface werden die SX 64 miteinander »vernetzt«, meist in Gruppen von fünf Computern. Die fünf Heimcomputer werden mitsamt dem Interface in einfach zu transportierenden HiFi-Turmartigen Schaltschränken untergebracht. Durch dieses vom COSS entwickelte Interface können die SX 64 auf eine der 20 MByte-Festplatten zugreifen und von dort ständig die neuesten Ergebnisse holen und auswerten. Es ist auch möglich, vom Richterturm aus, mit einem CBM 8296, den SX-64 Kommandos zu geben.

Das selbstentworfene Interface empfängt über eine V.24-Schnittstelle von einem CBM 8296 oder von Festplatte Daten und sendet sie über den User-Port an einen SX 64. Am User-Port wird softwareseitig eine 8-Bit-Parallelschnittstelle simuliert, die der Centronics-Norm recht ähnlich ist. Anhand einer Geräteadresse erkennt das Interface, an welchen SX 64 die Daten geleitet werden sollen. Die Geräteauswahl findet also im Interface statt, und nicht im SX 64.

Sehr viele Kabel sind zu verlegen. Auf dem Foto sehen Sie den kleinen Ausschnitt der Anlage auf dem Richterturm.

Drei Tage Aufbau

Der technische Aufwand läßt erahnen, welche Arbeit investiert werden muß, um die gesamte Anlage aufzubauen. Beim World Cup der Springreiter in Berlin mußten dazu innerhalb drei Tagen etliche hundert Meter Kabel verlegt werden, um aus den einzelnen Computern ein einziges System zu machen und um die Verbindung zum Übertragungswagen herzustellen.

Das Herz des Systems befindet sich mit auf dem Richterturm, hinter der Richterbank. In der Berliner Deutschlandhalle standen dort vier CBM 8296 mit Diskettenlaufwerken und Druckern und zwei Schriftgeneratoren (Aston 3). Anstelle der 8296 könnten genauso C 64 verwendet werden, so der COSS-Geschäftsführer Dr. Hehenwarter, aber die 8296 sind nun mal mit entsprechenden Programmen vorhanden. Mit drei der vier CBM 8296 wurde über Schriftgeneratoren das Bild fürs Fernsehen und das Infosystem erzeugt. Für das Fernsehbild hatte man zwei Computer: Einen für die Zeit- und Fehlerpunkte-Einspielung und einen für Rangliste. Dadurch konnten beiden Auswertungen abwechselnd dem Fernsehbild zugemischt werden. So lange ein Reiter sich auf dem Parcour befand, wurden in der Regel die Zeit und die Fehlerpunkte eingeblendet. Ansonsten zeigte man den World Cup-Stand. Über das Infosystem wurde der aktuelle Ritt mit dem Zeitstand gezeigt. War einmal kein Reiter auf dem Parcour, konnten von den SX 64 Logos oder Pictogramme abgerufen und übers Infosystem gezeigt werden. Das war beispielsweise ein stilisierter Reiter oder das Commodore-Firmenzeichen. Mit dem vierten der CBM 8296 wurde die Anzeigetafel in der Halle angesteuert.

Dem Infosystem waren in der Deutschlandhalle etwa 50 Monitore in den Gängen und im Pressesaal angeschlossen, wo das laufende Geschehen gezeigt wurde. Ins Kamerabild wurden ständig die aktuellen Zwischenergebnisse eingeblendet. Das laufende Geschehen nahm der Commodore-Sportservice mit einer eigenen Kamera auf.

In Berlin wurden die gemessenen Zeiten ausnahmsweise auf Zuruf eingegeben. Im Regelfall ist das nicht notwendig. Ein CBM 8296 wird dazu über eine V.24-Schnittstelle direkt mit der Elektronik der Zeitmessung verbunden. Vor dem Wettkampf werden die Nennungen eingegeben. Die Nennung umfaßt neben den Namen, mitgebrachte Punkte für die World Cup-Wertung, die Nation, die Klasse und den Verein. Aus diesen Daten wird eine Startliste für den Veranstalter erstellt. Was während des Turnieres noch getan werden muß, beschränkt sich auf die Eingabe der Fehlerpunkte.

Die Zeitnahme ist in diesem Zusammenhang auch das einzige, das der Commodore-Sportservice nicht selbst macht. Das übernehmen Spezialfirmen wie Omega, Longines und Alge, die Ihnen bestimmt als Uhrenhersteller bekannt sind. Diese Firmen erledigen die technische Zeiterfassung und stellen das Zeitsignal den Commodore-Leuten bereit. Der Vorteil dieser Direktverbindung liegt auf der Hand: keine Übertragungsfehler mehr beim Zurufen der Zeit und keine Eingabefehler mehr.

Zuschauer verlangen gute Informationsdarstellungen

Damit die Zuschauer zu Hause vor dem Fernseher und die Zuschauer vor Ort gut über das Geschehen informiert werden können, sind viele Probleme zu lösen und hohe Investitionen nötig.

Ein Problem, das häufig auftrete, sei der Anschluß der Score-Boards, der großen Anzeigetafeln, die in jedem Stadion oder jeder Sporthalle zu finden sind, so Dr. Hehenwarter. Der Anschluß der Tafeln erfolgt zwar über RS232-Schnittstellen, die aber teilweise alles andere als genormte Baudraten haben.

Sehr hohe Investitionen waren für die zwei Schriftgeneratoren nötig. Ohne Zubehör wie Einstellmonitore, Floppy-Disk-Laufwerk kostet ein einziger Schriftgenerator (Aston 3) über 100 000 Mark. Die Schriftgeneratoren erzeugen die Schrift, wie sie später im Fernsehen oder auf den Monitoren des Info-Systems zu sehen ist. Von den beiden Schriftgeneratoren erzeugt einer die Schrifteinblendungen für das Info-System, der andere liefert das Videosignal der Schrift dem Übertragungswagen. Diese Schriftgeneratoren können fast alles erdenkliche, was mit Schrift zu tun hat: verschiedene Schrifttypen, Farbwechsel, Blocksatz, verkleinern, vergrößern, verschieben oder schrägstellen der Schrift und mehr. Der Anzahl der Schrifttypen sind keine Grenzen gesetzt. Die einzelnen Typen können mit einer Kamera aufgenommen und durch den Schriftgenerator digitalisiert werden. Die Zeichensätze werden dann auf Diskette gespeichert und können jederzeit geladen werden.

Die Ansteuerung der Schriftgeneratoren durch den Computer erfolgt denkbar einfach: genau wie ein Drucker. Die Texte werden einfach im ASCII-Code an den Schriftgenerator gesandt und können dort bearbeitet werden. Die Generatoren haben auch eine eigene Tastatur und ein einfaches Textverarbeitungsprogramm zur direkten Texteingabe.

»Früher«, so Dr. Hehenwarter, »genügte das Schriftbild eines Computers noch den Qualitätsansprüchen. Heutezutage ist es aber undenkbar, eine Matrixschrift mit vielleicht 8x8 Punkten ins Fernsehbild einzublenden.«

Im Keller befindet sich unscheinbar das Gedächtnis des ganzen COSS-Systems: zwei Festplattenlaufwerke mit insgesamt 40 MByte.

90 Programme für ein Reitturnier

Neunzig Programme wurden in Berlin zur Auswertung des World Cup-Turniers gebraucht. Alle hat das COSS-Team selbst geschrieben. »Das geht auch nicht anders«, so ein Mitarbeiter, »denn die Programme müssen häufig noch am Richterturm umgeschrieben werden.« Es ist also sehr wichtig, daß mindestens ein Programmierer, der an der Softwareerstellung beteiligt war und deshalb das Programm sehr gut kennt, mit von der Partie ist. Man braucht sich dazu nur ein Programm näher betrachten. Man wird schnell feststellen, daß es professionelle Programme sind, die mit den meisten handelsüblichen Dateiverwaltungen nur den Namen gemeinsam haben. Hier, beim Schreiben, Verändern, Anpassen und Compilieren der Programme werden auch die 4040-Laufwerke benötigt.

SX64-Garbage Collection in einer Sekunde

Ein Ansporn für C 64-Programmierer dürfte die Tatsache sein, daß die COSS-Leute für den SX 64 eine Garbage Collection geschrieben haben, die maximal eine Sekunde braucht, um den gesamten Stringspeicher des SX 64 oder C 64 »aufzuräumen«. Jeder SX 64/C 64-Programmierer hat wahrscheinlich schon mit dem Problem der Garbage Collection, die bis zu einer halben Stunde dauern kann, gekämpft. Ohne diese schnelle Garbage Collection-Routine wäre der Einsatz des SX 64 als Computer zur schnellen Auswertung gar nicht denkbar.

Sämtliche Datenleitungen haben einen gemeinsamen Knotenpunkt: zwei 20-MByte-Festplattenlaufwerke, die in Berlin in einem finsteren Loch »versteckt« waren. Die Verbindung der Computer mit dem Laufwerk erfolgt über eine Schnittstelle, die von den COSS-Mitarbeitern selbst entwickelt wurde. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen V.24-Schnittstelle, die maximal 19 200 Bit/Sekunde übertragen kann, schafft die COSS-Schnittstelle um 160 000 Bit/Sekunde, also etwa das 9fache. Diese Schnittstelle wird von den IEEE-Schnittstellen der Computer und Festplattenlaufwerke angesteuert.

Das COSS-System als Blockschaltbild

Datenübertragung nach eigenem Konzept

Warum man überhaupt eine Schnittstellenwandlung vornimmt und die Daten seriell sendet, liegt einfach an der Zuverlässigkeit dieser Art von Datenübertragung. Parallele Übertragung von IEEE-Signalen wäre auf der benötigten Kabellänge einfach viel zu anfällig gegen Störstrahlungen. Das Problem ist nämlich, daß die Datenleitungen in den gleichen Kabelschächten untergebracht werden müssen wie die Starkstromkabel. Und die Übertragungssicherheit muß auf jeden Fall gewährleistet sein. Schließlich holt sich jeder Computer des Systems von den Festplattenlaufwerken die Daten zu einer bestimmten Auswertung oder speichert welche ab.

Auch Lösungen für kleinere Veranstaltungen

Aus der Erfahrung, die der Commodore-Sportservice bei nationalen und internationalen Großveranstaltungen gewann, wurde ein Programm für den C 64 entwickelt, das als Steckmodul erhältlich ist. Mit diesem Modul kann jeder kleinere Verein fast jede Art von Meisterschaften oder ähnliche Veranstaltungen auswerten. Was dazu nötig ist, ist ein C 64 mit Monitor, ein 1541-Diskettenlaufwerk und ein Drucker. Mit dem Steckmodul können die Daten von bis zu 400 Teilnehmer in 40 Klassen verwaltet werden. Für größere Vorhaben bietet Commodore auch andere Lösungen an. Zum Beispiel CBM 8296-Computer mit Diskettenlaufwerk, Drucker und den entsprechenden Programmen. Wem das nicht leistungsfähig genug ist, kann sich auch den Commodore-Sportservice mieten. Sollten Sie interessiert sein, erfahren Sie die Kosten auf Anfrage bei Commodore in Frankfurt.

(hm)

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